Maria Kolesnikowa, eine der wichtigsten Oppositionellen in Belarus, wurde zu einer Haftstrafe von elf Jahren verurteilt. Gegen das Urteil gibt es weltweit eine Welle des Protests. In Belarus selbst trauen sich aber kaum mehr Menschen, Präsident Alexander Lukaschenko öffentlich zu kritisieren – er geht mit Angst und Unterdrückung gegen seine Kritiker*innen vor.

Sie soll ein Komplott zur verfassungswidrigen Machtergreifung vorbereitet, eine extremistische Organisation gebildet und die nationale Sicherheit gefährdet haben: Das sind die Vorwürfe, mit denen das belarussische Gericht das Urteil gegen die Oppositionelle Maria Kolesnikowa begründet.

Nach ihrer Festnahme vor fast einem Jahr ist die 39-Jährige zu einer Gefängnisstrafe von elf Jahren verurteilt wurden. Ihr ehemaliger Rechtsanwalt Maxim Snak, der auch angeklagt war, wurde zu zehn Jahren Haft verurteilt.

Die Vorwürfe in der Urteilsbegründung erinnern an eine Terrororganisation wie Al-Kaida, nicht aber an eine Bewegung, die sich für Demokratie und Menschenrechte eingesetzt hat, sagt ARD-Korrespondent Demian von Osten aus Minsk.

Sie wollte eine Demokratie für Belarus

Nachdem sich Machthaber Alexander Lukaschenko bei der Präsidentschaftswahl am 9. August 2020 selbst zum Wahlsieger ernannt hat, ist Maria Kolesnikowa eine der wichtigsten Oppositionellen im Land geworden. Sie hat sich im vergangenen Jahr den Massenprotesten gegen Alexander Lukaschenko angeschlossen und zusammen mit Maxim Snak einen Koordinierungsrat für eine friedliche Machtübergabe in Belarus gegründet.

Zusammen mit Swetlana Tichanowskaja und Veronika Zepkalo, die mittlerweile beide im Ausland im Exil leben, wollte Maria Kolesnikowa die Demokratie nach Belarus holen. Immer wieder hat sich die 39-Jährige mit einem Herzen gezeigt, das sie mit ihren Händen geformt hat – es war ein Zeichen für Demokratie und Menschenrechte.

Angst, Unterdrückung, Intransparenz

Jetzt wolle das Regime Lukaschenko, Maria Kolesnikowa und Maxim Snak am Boden sehen, schrieb Swetlana Tichanowskaja in ihrem Telegram-Kanal nach dem Urteil. Die Anwälte der Oppositionellen haben schon angekündigt, Berufung gegen das Urteil einzulegen.

Inwiefern das Gericht eindeutige Beweise für die Vorwürfe hat, ist nicht bekannt. Alle Sitzungen des Gerichtsprozesses haben hinter verschlossenen Türen stattgefunden. Die Öffentlichkeit oder auch Journalistinnen und Journalisten konnten an den Sitzungen nicht teilnehmen. Zudem haben auch alle Prozessbeteiligten zum Beispiel die Anwälte Verschwiegenheitserklärungen unterschreiben müssen, erklärt Demian von Osten. Von ihnen kann niemand öffentlich sagen, was sich in den knapp vier Wochen im Gericht abgespielt hat.

"Es ist sehr offensichtlich, dass es ein politischer Prozess ist. Hier werden Strafen ausgeführt, die vorher womöglich woanders festgelegt wurden."
Demian von Osten, ARD-Korrespondent aus Minsk

Die Politik der Unterdrückung und Einschüchterung von Alexander Lukaschenko zeigt mittlerweile Wirkung, berichtet der Korrespondent. In Belarus würde sich kaum jemand trauen, öffentlich gegen den Machtinhaber zu protestieren. Die Menschen haben Angst vor langen Haftstaren wie der von Maria Kolesnikowa.

"Jeder, der offen mit der Oppositionsbewegung sympathisiert, muss mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen. Da geht es nicht um ein paar Tage Haft, es geht um richtig lange Haftstrafen."
Demian von Osten, ARD-Korrespondent aus Minsk
Shownotes
Belarus
Oppositionelle Maria Kolesnikowa zu elf Jahren Haft verurteilt
vom 06. September 2021
Moderator: 
Christoph Sterz
Gesprächspartner: 
Demian von Osten, ARD-Korrespondent in Minsk