Forscher der Uni Ulm haben in einer Studie untersucht, was passiert, wenn sich Bewerber im Jobinterview besser darstellen als sie eigentlich sind. Das Ergebnis: Diejenigen, die ein bisschen faken, werden von den Interviewern besser bewertet als die ehrlichen Bewerber.

Niko studiert Psychologie an der Uni Köln. Bei seinen Bewerbungsgesprächen für Nebenjobs und Praktika hat er seinen Lebenslauf und seine Skills immer ein bisschen besser dargestellt. Aus dem Job bei der Autovermietung wurden dann zum Beispiel später Erfahrungen in der Kundenberatung und beim Fahrzeugmanagement.

Auch bei seinen Sprachkenntnissen in Französisch und Spanisch hat Niko schon das ein oder andere Mal übertrieben. Und er war damit erfolgreich, sagt er. Er hat die Jobs am Ende bekommen. 

"Ich hab immer ein bisschen gelogen. Man will sich ja ein bisschen besser darstellen. Aber ich würde nichts sagen, wo ich denke, das könnte ich nicht schaffen, also schon realistische Lügen."
Niko, Psychologiestudent an der Uni Köln

Forscher der Uni Ulm sind in einer Studie zu ganz ähnlichen Ergebnissen gekommen: Wer bei Vorstellungsgespräch übertreibt, wer sich selbst besser darstellt, als er ist, der wird von den Personalentscheidern auch besser bewertet. Und übertreiben tun viele. Andere Studien zum Thema sagen: 80 bis 90 Prozent aller Bewerber schmücken ihre Fähigkeiten und Kenntnisse aus. Im Schnitt kommt es pro Bewerbungsgespräch zu zwei Lügen.

"Ehrlichkeit kann ja auch in vielerlei Hinsicht interpretiert werden. Man kann natürlich auch bestimmte Dinge nennen und andere weglassen."
Ute Bölke, Karriereberaterin aus Wiesbaden

Ein bisschen polieren, ein bisschen übertreiben - das ist also in Ordnung. Zu offensichtlich sollte es wiederum auch nicht sein. Die Karriereberaterin Ute Bölke erinnert sich an einen Kunden, der vor Kurzem ihren Rat gesucht hat. Er ist seit sieben Monaten arbeitslos und auf der Suche nach einem neuen Job. Bei Bewerbungsgesprächen hat er dann immer erzählt, er mache gerade ein wunderschönes Sabbatical - völlig freiwillig.

Diese Strategie ist bisher nicht besonders erfolgreich gewesen. Ute Bölke hat ihm jetzt geraten, er solle etwas ehrlicher sein, sagen, dass er auf der Suche nach einer Stelle und dabei sehr optimistisch ist.

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Wer trotzdem stark übertreiben oder sogar lügen will, darf allerdings auch die Personalentscheider nicht unterschätzen. Denn die haben oft ein Gespür für unehrliche Bewerber.

Nicole Müller arbeitet beim Biotech-Unternehmen Qiagen als Recruiterin. Bei Bewerbungsgesprächen hat sie immer auch einen Fachmann oder eine Fachfrau aus der entsprechenden Abteilung an ihrer Seite. Und die bohren dann auch gerne mal ein bisschen tiefer bei den Kandidaten und Kandidatinnen: "In dem Moment, wo eben dieser Fachmann im Gespräch ein bisschen nachbohrt, wirklich in die Tiefe geht und fachsimpelt, da merken die Bewerber selber: Das hab ich zwar schon gemacht, aber so in dieser Tiefedann doch nicht", sagt sie.

Kleine Lügen im Vorstellungsgespräch sind menschlich

Den Lebenslauf der Bewerber schaut sich Nicole Müller auch sehr genau an und fragt nach, wenn es Lücken gibt. Die zu verheimlichen oder zu überspielen sei keine gute Idee. Für Nicole Müller ist das ein kleiner Minuspunkt, gleichzeitig nimmt sie es auch nicht allzu ernst, "weil es tatsächlich relativ oft vorkommt, also es scheint auch ein bisschen menschlich zu sein."

Sich selbst ein bisschen besser darzustellen, als man ist, kann nicht ganz so verkehrt sein. Außerdem zeugt es ja auch von Selbstbewusstsein. Und Karriereberaterin Ute Bölkesagt: Die Bewerber dürfen nicht vergessen, dass auch Unternehmen nicht immer hundertprozentig ehrlich sind.

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Shownotes
Bewerbungsgespräch
Wir kommen weiter, wenn wir übertreiben
vom 22. Februar 2018
Autor: 
Johannes Döbbelt
Moderator: 
Thilo Jahn