Joe Biden und Wladimir Putin treffen sich auf neutralem Boden in Genf – zum ersten Mal seit dem Amtsantritt Bidens als Präsident der USA. Die mit Spannung erwartete Begegnung ist geprägt von gegenseitigem Misstrauen. Diplomatisch brisanter und höher geht im Prinzip nicht.
Strammes Programm für US-Präsident Joe Biden: Nach dem G7-Gipfel am Wochenende, dem Nato-Gipfel am Montag und dem EU-USA-Gipfel am Dienstag folgt nun das erste Treffen mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin.
"Freunde werden Biden und Putin nicht mehr – darum geht es aber auch gar nicht. Sie wollen schauen, was noch irgendwie geht."
Freunde werden Biden und Putin nicht mehr – darum geht es aber auch gar nicht, sagt unser Korrespondent Georg Schwarte, der vor Ort in Genf dabei ist. Bei allen Problemen in den bilateralen Beziehungen beider Länder: Der Wille für das Treffen sei trotzdem durchaus vorhanden. Die beiden Top-Politiker wollten ausloten, "was noch irgendwie geht". Biden habe in Brüssel klar gemacht, dass er – bei Themen, wo das möglich ist – kooperieren möchte. Gleichzeitig will er Putin aber auch "rote Linien" aufzeigen, so der US-Präsident nach dem Nato-Gipfel.
Biden bezeichnete Putin als "Killer"
Noch im März hatte Biden Putin einen "Killer" genannt. Putin hatte entgegnet, Biden solle nicht von sich auf andere schließen. Und warf ihm "Machogehabe" vor. Biden und Putin haben schon eine längere Geschichte. 2011 haben sich die beiden zum letzten Mal getroffen. Damals war Joe Biden Außenminister unter Präsident Barack Obama – und hatte zu Putin gesagt: "Ich glaube, Sie haben keine Seele." Und Putin hatte geantwortet: "Na, dann verstehen wir uns ja bestens."
"2011 hat Biden zu Putin gesagt: 'Ich glaube, Sie haben keine Seele.' Und Putin hat geantwortet: 'Na, dann verstehen wir uns ja bestens.'"
Die Art und Weise, wie die beiden miteinander umgehen, ist also nicht gerade von Zurückhaltung geprägt. Zuletzt hatte Biden aber gewissermaßen eine Hand ausgestreckt, so Georg Schwarte. Er nannte Putin "intelligent", "zäh" und einen "würdigen Gegner". Putin bezeichnete Biden als Karrierepolitiker, von dem keine "impulsiven Entscheidungen" zu erwarten seien – ein Seitenhieb auf Bidens Vorgänger Donald Trump.
Lange ist es her: Gorbatschow und Reagan
Vor 36 Jahren saßen in Genf Gorbatschow und Reagan an einem Tisch. Das war das letzte Mal, dass amerikanische und russische Präsidenten sich dort getroffen haben. Die beiden Präsidenten mochten sich auch nicht, doch es war damals der Beginn des Endes der Eiszeit im Ost-West-Konflikt.
Soweit wird das heute nicht gehen, glaubt unser Korrespondent. Es gehe vielmehr darum, überhaupt wieder einen Fuß in die Tür zu bekommen und einen vernünftigen Dialog zu beginnen. Auch über die Themen, bei denen man sich grundsätzlich überhaupt nicht einig ist. Und von denen gibt es gerade mehr als genug: Nawalny, Menschenrechte, Syrien, Libyen, Afghanistan, die Gaspipeline Nordstream, Cyberkriminalität, (Ost-)Ukraine, Krim-Annexion... die Liste ist sehr lang.
"Es gibt mehr Uneinigkeiten als Einigkeiten in den russisch-amerikanischen Beziehungen."
Ein paar klitzekleine Felder gebe es aber doch, in denen man sich einigen könnte, glaubt unser Korrespondent: etwa beim Iran-Abkommen oder beim Russland-Nato-Rat, den man wieder ins Leben rufen könnte. Oder – als eine Art kleines "Begrüßungsgeschenk" – eine Vereinbarung, dass beide Länder wieder ihre Botschafter ins andere Land schicken. Diese waren zurückgeholt worden, als Biden Putin einen "Killer" genannt hatte.
"Zartes Aufeinander-zu-Robben" im Hochsicherheitstrakt
Georg Schwarte erwartet ein "zartes Aufeinander-zu-Robben" in einer wunderschönen Atmosphäre. Alles sei eigentlich sehr malerisch in Genf – wenn man sich die Panzer wegdenke, die vor der Seepromenade stehen. Das habe es so noch nie gegeben. Die Stadt sei eine Festung: Der Luftraum, der Genfer See und die gesamte Innenstadt sind komplett abgesperrt. Die Genfer müssen heute alles zu Fuß erledigen, es fahren weder Tram noch Busse oder Taxis.
Die Erwartungen Deutschlands und der EU an das Treffen sind übrigens minimal, sagt Georg Schwarte. Die einzige Erwartung sei, doch bitte endlich die Sprachlosigkeit zu überwinden. Denn wenn Russland und die USA miteinander reden, dann ging es Deutschland und Europa besser – das sei in der Vergangenheit immer so gewesen. Russland ist schließlich ein Nachbar der EU. Für die USA ist Russland dagegen nur ein geostrategischer Gegner.