In der bislang krisensicheren Tech-Branche werden seit einiger Zeit massiv Stellen gestrichen. Jetzt legt der Unterhaltungskonzern Disney nach und zack geht der Kurs nach oben. Wirtschaftsjournalist Nicolas Lieven erklärt die Zusammenhänge.

In den vergangenen Wochen haben reihenweise Tech-Konzerne wie Meta, Twitter, Microsoft, Amazon oder Alphabet Zigtausende Stellen gestrichen. Nun will auch der Unterhaltungskonzern Disney 7000 Stellen abbauen. Für die betroffenen Mitarbeitenden in den USA ist das eine Katastrophe. Dort gibt es kein Kündigungsschutzrecht wie in Deutschland. Sie stehen mehr oder weniger von heut auf morgen auf der Straße, bekommen vielleicht eine kleine Abfindung, Übergangsgeld oder noch drei Monatsgehälter gezahlt, erklärt Nicolas Lieven.

"Da sind die Computer tatsächlich von heute auf morgen gesperrt. Das Handy funktioniert nicht mehr, der Firmenzugang ist blockiert. Wir haben das ja unter anderem bei Twitter gesehen."
Nicolas Lieven, Wirtschaftsjournalist

Für die Firmen ist das ein Riesenvorteil, sie können flexibel Leute einstellen und entlassen, je nach Wirtschaftslage, und so die Gewinne wieder nach oben schrauben. Das wirkt sich direkt auf den Kurs der Aktie aus: Aktionäre und Aktionärinnen belohnen so ein Vorgehen, in dem sie die Aktie mehr nachfragen. Der Kurs steigt. Moralische Werte werden an der Börse nicht gehandelt.

Stagnierendes Wachstum und hohe Kosten

Für die massiven Entlassungen in den vergangenen Wochen sieht Nicolas Lieven verschiedene Gründe:

  • Bei den Technologieunternehmen sind die Wachstumsraten abgeflacht, sie können nicht mehr so wie in den vergangenen Jahren wachsen und neue Kunde oder Abonnenten finden.
  • Auch ist es für sie nicht mehr so leicht, Werbekunden zu finden. Unternehmen halten sich mehr und mehr zurück und sparen bei der Werbung. Somit sind die Einnahmen aus der Werbung ebenfalls rückläufig.
  • Die Kosten sind immens gestiegen durch die hohen Energiepreise.

In den Quartalsberichten könne man ablesen, dass zwar die Umsätze wieder nach oben gegangen sind, weil die Preise für ihre Produkte auch gestiegen sind, aber wegen der hohen Kosten die Gewinne eben nicht, erklärt Nicolas Lieven. Hinzu komme, dass viele Sorge vor einer drohenden Rezession haben. Die Unternehmen wollen sich dafür in Stellung bringen, wenn die Wirtschaft noch weiter ins Stocken gerät, und bauen deshalb Stellen ab.

"Ich baue jetzt die Stellen ab, damit ich dann in diese mutmaßlich schwierige Phase ein bisschen besser reinkommen."
Nicolas Lieven, Wirtschaftsjournalist

Disney ist ein Riesenkonzern, der in der Coronazeit in den Disney Parks schon 32.000 Mitarbeitende entlassen hatte. Aber neben der Eventbranche gehört auch Tourismus und Entertainment, die Disney Studios, Star-Wars-Filme und Marvel-Serie und der Streaming-Dienst Disney Plus dazu. Insgesamt hat Disney 190.000 Beschäftigte, sagt Nicolas Lieven.

Abo-Zahlen bei Disney Plus zurückgegangen

Doch die Abo-Zahlen bei Disney Plus sind zurückgegangen, weil sich der Abo-Preis erhöht hat und die Konkurrenz mit Netflix und Amazon hart sei, meint Nicolas Lieven. Die Aktionäre von Disney hätten schon immer Druck auf den Konzern gemacht und verlangten Umstrukturierungen und Sparmaßnahmen. "Die sehen sich jetzt total bestätigt. Deswegen ging es auch mit dem Kurs nach oben", erklärt der Wirtschaftsjournalist.

Da sei auch eine gewisse Regelhaftigkeit: Immer wenn Stellen in einem Unternehmen abgebaut werden, würden dessen Aktienkurse meistens nach oben gehen.

"Wenn Stellen gestrichen werden, geht es mit dem Aktienkurs raus. Das liegt einfach daran, dass der gemeine Aktionär, der Investor, eben nicht auf das menschliche Einzelschicksal schaut, sondern auf die Zahlen."
Nicolas Lieven, Wirtschaftsjournalist

Meist werden dann in Konzernen die Stellen in den Geschäftsbereichen gestrichen, in denen es nicht so gut laufe, wo die Kosten hoch seien und der Ertrag niedrig. Dann werde noch umstrukturiert und Synergien geschaffen, indem Abteilungen zusammengelegt werden. "An der Börse kommt das einfach gut an, wenn die Kosten sinken und der Ertrag weiter steigt", sagt der Wirtschaftsjournalist.

Shownotes
Börse
Warum sich Aktionäre über Stellenstreichungen freuen
vom 11. Februar 2023
Moderator: 
Ralph Günther
Gesprächspartner: 
Nicolas Lieven, Wirtschaftsjournalist