Homophobie, Sexismus, Rassismus, Frauenfeindlichkeit – all das hat dem Präsidentschaftskandidaten Bolsonaro nicht geschadet. Im Gegenteil, in der ersten Runde der Wahl übertraf er die Umfragewerte deutlich. Gegenkandidat Fernando Haddad wird es im zweiten Wahlgang schwer haben.

Der Wahlkampf um die Präsidentschaftswahl in Brasilien zeichnete sich besonders durch Skandale aus. Lula da Silva, der eigentliche Kandidat der linken Arbeiterpartei PT wurde während des Wahlkampfes aufgrund von Korruptionsvorwürfen verhaftet. Jair Bolsonaro, der Kandidat der rechten PSL, liegt momentan noch im Krankenhaus, weil er vor einigen Wochen bei einer Wahlkampfveranstaltung mit einem Messer verletzt wurde. 

Nun haben die Brasilianer gewählt und Bolsonaro liegt mit 46 Prozent im ersten Wahlgang klar vor dem zweitplatzierten Fernando Haddad, der 29 Prozent der Stimmen erreicht hat. Dass Bolsonaro die Wahl gewinnt, sei keine Überraschung, so Südamerika-Korrespondent Ivo Marusczyk. Brasiliens Linke sei zu zersplittert. Dass der Sieg jedoch so deutlich ausfallen würde, sei nicht unbedingt zu erwarten gewesen. 

Bolsonaro punktet mit Radikalität

Bolsonaro gilt als brasilianischer Donald Trump. Häufig fällt er jedoch durch noch sehr viel radikalere Aussagen auf als die von Trump. So lobt er beispielsweise die Folterer der brasilianischen Militärdiktatur und rief kürzlich einer Parlamentarierin zu, sie "es nicht wert vergewaltigt zu werden". 

"Die Erklärung, die ich mir selber gebe, ist: Das war eine klassische Wutbürgerwahl"
Ivo Marusczyk, Deutschlandfunk Nova

Insbesondere Brasiliens Mittelschicht geht es momentan nicht gut. Die Gewalt nimmt insgesamt zu. Das wirtschaftliche Wachstum ist zu niedrig, damit es sich positiv auf die Menschen auswirkt. Hinzu kommen viele Korruptionsskandale. "Die Parteien, die das Land seit dem Ende der Militärdiktatur regieren, haben alle keine weiße Weste. Die haben alle Milliardenschmiergelder eingesteckt", erklärt Ivo Marusczyk. Bolsonaro konnte man bisher keine Korruption vorwerfen. 

Niemand weiß so richtig, wofür Bolsonaro steht

Viele Menschen in Brasilien sind also unzufrieden mit der derzeitigen Situation. Bolsonaro könnte Veränderung bringen, man wisse allerdings überhaupt nicht, wofür er steht, so unser Südamerika-Korrespondent. Nur zu wenigen Themen hat sich Bolsonaro vor der Wahl klar geäußert. Eines dieser Themen ist der Sicherheitsaspekt. Ivo Marusczyk erklärt: "Bei dem Thema Sicherheit hat Bolsonaro eine einfache Antwort: 'Wir geben die Schusswaffen frei, dann können die, die Bolsonaro, als die Guten bezeichnet die Bösen einfach erschießen'". Zu anderen Themen, wie beispielsweise wirtschaftliche Probleme, hat Bolsonaro keine Lösungsvorschläge.

Das Ergebnis der Stichwahl ist noch offen

Bolsonaro ist zwar aktuell Favorit für die Stichwahl in drei Wochen, Ivo Marusczyk betont allerdings, dass der linke Kandidat Haddad durchaus Chancen hat, genügend Stimmen zu bekommen. Ivo Marusczyk geht zum einen davon aus, dass Haddad bei öffentlichen Debatten eine bessere Figur macht als Bolsonaro. Denn: Letzterer musste sich durch die auf in verübte Messerattacke in den vergangenen Wochen kaum öffentlichen Debatten stellen. Zum anderen hätten die linken Kräfte nun – ähnlich wie in Frankreich – die Möglichkeit, sich gegen Bolsonaro zu vereinen, um einen radikalen Präsidenten zu verhindern. 


Mehr zum Thema: 

Shownotes
Präsidentschaftswahlen in Brasilien
Rechtspopulist Bolsonaro liegt im ersten Wahlgang vorn
vom 08. Oktober 2018
Moderator: 
Till Haase
Gesprächspartner: 
Ivo Marusczyk, ARD-Korrespondent für Südamerika