Wer Mitglied in einer Partei ist, weiß meistens, wo er oder sie das Kreuz bei den Wahlen machen wird. Für die immer mehr werdenden Wechselwähler hingegen, dürfte die Wahl schwieriger sein. Julia Schwanholz von der Uni Duisburg-Essen erklärt, worauf es ankommt, wenn man nicht aus Überzeugung, sondern aus Taktik wählen will.
Die Bundestagswahl in diesem Jahr ist nicht nur spannend, weil feststeht, dass es nach 16 Jahren Angela Merkel in jedem Fall eine neue Bundeskanzlerin oder einen neuen Bundeskanzler geben wird. Für keine Partei zeichnet sich eine klare Mehrheit ab, so jedenfalls lässt es sich aus den Umfragen (Stand: 6.9.2021) ableiten. Daher ist davon auszugehen, dass die künftige Koalition aus drei Parteien bestehen wird.
Die (Bundestags-)Wahl der vielen Möglichkeiten
Wer mit wem regieren wird, welche Partei zu Kompromissen bereit ist, um all das ringen die Parteien jetzt schon. Daher scheint die Frage berechtigt, inwiefern es sich lohnt, die beiden Kreuze auf dem Wahlschein strategisch zu setzen, also so, dass am Ende die Parteien eine Mehrheit zusammenbekommen, die man sich selbst in einer Regierung wünscht. Politikwissenschaftlerin Julia Schwanholz von der Universität Duisburg-Essen spielt mögliche Optionen durch.
"Die Volatilität, also das Wechselwählen, hat zugenommen. Die Parteibindung hingegen nimmt in Deutschland ab."
Rechnerisch sind nach derzeitigen Umfrageergebnissen mehrere Koalitionen möglich, in den meisten Fällen unter der Federführung der SPD. Wer also unter allen Umständen eine konservative Regierung will, hat nicht so viele Möglichkeiten, erklärt die Politikwissenschaftlerin. Hauptgrund: Die SPD hat sich gegen eine erneute Große Koalition ausgesprochen. So bleibt unter Beteiligung der Union nur eine Jamaika-Koalition, sagt Julia Schwanholz, also Union, FDP und die Grünen. "Wenn ich eine konservative Wählerin bin und rot-rot-grün verhindern will, fällt meine Wahl auf die Union oder ansonsten auf die FDP."
"Laschet als Kanzler gibt es Stand jetzt nur in einer Jamaika-Koalition."
Wer hingegen AFD wählt, macht dadurch rot-rot-grün oder rot-grün-rot wahrscheinlicher, erklärt sie. Denn bis jetzt schließen alle anderen Parteien eine Koalition mit der Alternative für Deutschland aus. Und auch wer Olaf Scholz als Bundeskanzler verhindern will, sollte die CDU/CSU wählen.
SPD will nicht mehr nur mit CDU/CSU regieren
Wer hingegen auf keinen Fall eine Bundesregierung unter Armin Laschet will, sollte ganz klar die SPD wählen, sagt Julia Schwanholz. Grund ist, dass die SPD die Fortsetzung der Großen Koalition ausgeschlossen hat.
Taktisches Wählen kann auch nach hinten losgehen
Generell hält die Politologin nicht so viel vom taktisch gesetzten Kreuzchen, vor allem wenn es dazu dienen soll, eine Koalition zu verhindern. "Beim sogenannten Verhinderungswählen kommt es am Ende häufig dazu, dass populistische oder Randparteien die Stimme bekommen." Doch die schafften oft nicht die Fünf-Prozent-Hürde, daher sei diese Stimme quasi verschenkt. Am allerschlimmsten ist laut Politologin die Nicht-Wahl. Wer sich also gar nicht entscheiden könne, sollte doch lieber die sonstigen Parteien wählen. "Denn die Demokratie ist ein hohes Gut", appelliert sie. "Daher sollten wir alle zur Wahl gehen."
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