Südkorea, das internationale Vorbild bei der Pandemiebekämpfung, schwenkt um, wenn es um die Maske geht: Aus Freiwilligkeit wird Pflicht und Strafe. Ob das sinnvoll ist, erklärt Michael Soyka, Spezialist auf dem Gebiet der Verhaltensänderung.
Ab Mitte November ist Schluss in Südkorea. Seit Beginn der Pandemie im Frühjahr trugen die Menschen in Südkorea den Mund-Nasen-Schutz freiwillig. Nun schwenkt die Regierung um: Wer Mund und Nase nicht verdeckt, muss mit einer Geldstrafe rechnen: 100.000 Won, umgerechnet 70 Euro.
Alles eine Frage der Belohnung
Peitsche statt Zuckerbrot also? Eigentlich ist das nicht die beste Idee, wenn man Ergebnisse aus der Forschung betrachtet, meint Michael Soyka. Der Facharzt für Psychotherapie, Psychologie und Neurologie kennt sich mit Verhaltensänderungen aus.
"Um Verhaltensänderungen zu unterstützen, sind positive Belohnungen aussichtsreicher als negative."
Generell gilt: Vor allem ausgeprägte Verhaltensänderungen fallen Menschen schwer. Aber der Mensch sei wie alle Lebewesen von Verstärkern abhängig. Belohnung ist ein positiver Verstärker, Strafe ein negative. Die negativen Verstärker sind strafbesetzt, man wird zum Beispiel Geld los oder wird eingesperrt. Die Abschreckung zielt damit auf eine gewünschte Verhaltensänderung ab.
Was zählt mehr: mein Wohl oder das der anderen?
Auf die Maskenpflicht übertragen, bedeutet das: Das Tragen von Masken rettet Leben. Und genau da liegt das Problem, es rettet Leben, aber eben nicht mein Leben. Hinzu komme der eigene Nachteil, den das Tragen der Maske notgedrungen mit sich bringt, also Einschränkungen der Bewegungsfreiheit und das erschwerte Atmen durch die Maske, so Michael Soyka.
In der unmittelbaren Wirkung ist all das erst mal negativ für das Individuum. Außerdem ist der Infektionsschutz für die anderen sozial begründet, als Anreiz für das Individuum wirkt das erst mal schwächer.
"Strafen mögen zu Verhaltensänderung führen, sie sind aber erzwungen und kommen nicht von Herzen.“
Dann müssten also mehr Aufklärung und Sensibilisierung her. Das sei richtig und wichtig, so der Psychotherapeut, zu große Hoffnungen solle man sich da allerdings nicht machen. Wissensvermittlung allein genüge nicht. Das klassische Beispiel zeigt sich bei Rauchern: Das Wissen, dass das Rauchen das Risiko für Lungenkrebs stark erhöht, ist inzwischen allgemein bekannt. In den wenigsten Fällen führe es aber dazu, den Glimmstängeln abzuschwören.
Dann also doch Verbote und Strafen. Deren Vorteile liegen auf der Hand: Sie sind einfach zu kommunizieren und jeder weiß, was gemeint ist. Doch auch Strafen haben Nachteile: Sie sind nur begrenzt wirksam, irgendwann schleifen sie sich ab. Außerdem müssen sie erst einmal durchgesetzt werden und die Menschen müssen das Gefühl haben, dass sie gerecht sind. Unverändert bleibt es aber eine "erzwungene Verhaltensänderung, die nicht von Herzen kommt".
Strafen müssen nachvollziehbar sein, um zu wirken
Deswegen bleibt Michael Soyka dabei: Will das Individuum, die Gesellschaft oder Politik eine dauerhafte Verhaltensveränderung initiieren will, wie es angesichts der Dauer von Corona und damit bei der Maskenpflicht anbahne, der sollte geduldig und beständig auf mehrere Faktoren setzen: Appelle, Aufklärung und positive Verstärker. Strafen sollten erst im letzten Schritt das Mittel der Wahl sein.
Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an Info@deutschlandfunknova.de