Während für viele Menschen Corona praktisch kein Thema mehr ist, leiden einige immer noch unter Long-Covid-Symptomen. Wie ist der Stand? Und können wir auch jetzt noch Long-Covid-Symptome entwickeln?

Die Masken sind gefallen, die Infektionszahlen sind nicht mehr Teil der täglichen Nachrichten, dank der Impfungen und vieler Infektionen ist Corona mittlerweile einer von vielen Erregern, die Atemwegserkrankungen auslösen.

Bei Menschen, die sich vor Monaten oder sogar Jahren mit dem Virus angesteckt haben – und die bis heute noch Symptome aufweisen und nicht wieder gesund sind – spricht man von Long Covid.

Zahl der Fälle schwer zu messen

Über die Anzahl der Fälle von Long Covid in Deutschland gibt es unterschiedliche Angaben.

  • Wenn man die Codes U09.9 und U10.9, die Ärzt*innen inzwischen bei einer Diagnose von Long Covid angeben können, als Grundlage nimmt, haben mehr als sechs Prozent der Infizierten, die nicht ins Krankenhaus mussten, langanhaltende Probleme entwickelt.
  • Diese Codes werden von den Ärzt*innen allerdings eher zögerlich verwendet – andere Studien gehen deshalb von eher zehn Prozent aus. Das wären in Deutschland etwa eine Million Menschen.

Die Studien haben allerdings allesamt das Problem, dass Long Covid als Krankheitsbild nur schwammig definiert ist und viel davon abhängt, welche Kontrollgruppen gewählt werden.

"Die Studien haben allesamt das Problem, dass Long Covid als Krankheitsbild nur schwammig definiert ist."
Volkart Wildermuth, Deutschlandfunk-Nova-Wissenschaftsjournalist

Auch das Robert-Koch-Institut veröffentlicht keine genauen Zahlen zu Long Covid. Es wird aber festgehalten, dass gesundheitliche Langzeitfolgen bei SARS-CoV-2 häufiger auftreten und auch schwerer sind als etwa nach einer Grippe.

Die Selbsthilfeorganisation Long Covid Deutschland geht davon aus, dass rund 150.000 Personen besonders schwer betroffen sind und an dem Erschöpfungsyndrom ME/CFS leiden. Das ist ernstes Problem für jeden einzelnen Betroffenen und das Gesundheitssystem insgesamt.

Risiko für Long Covid gesunken

Das Risiko, auch jetzt in der auslaufenden Pandemie noch Long Covid zu bekommen, ist kleiner geworden. Eine Überblicksarbeit der Universität Peking von November 2022 zeigt, dass eine Ansteckung mit der Omikron-Variante des Coronavirus nur noch ein etwa halb so hohes Long-Covid-Risiko darstellt wie eine Infektion mit dem Wildtyp.

"Laut der Studie stellt eine Ansteckung mit der Omikron-Variante des Coronavirus nur noch ein etwa halb so hohes Long-Covid-Risiko dar wie eine Infektion mit dem Wildtyp."
Volkart Wildermuth, Deutschlandfunk-Nova-Wissenschaftsjournalist

Das mag an den anderen Eigenschaften von Omikron liegen, sagt Deutschlandfunk-Nova-Wissenschaftsjournalist Volkart Wildermuth. Wahrscheinlich trägt aber auch der Einfluss der Impfungen dazu bei.

Trotzdem haben sich in der Omikron-Welle sehr viele Menschen mit dem Coronavirus angesteckt. Und auch, wenn das Risiko kleiner war, hat das in absoluten Zahlen doch zu sehr vielen Long-Covid-Fällen geführt.

Long Covid kann auch noch nach Zweit- oder Drittinfektion auftreten

Wer früher bereits Covid hatte und danach keine anhaltenden Probleme entwickelt hat, ist bei einer zweiten oder dritten Infektion nicht davor geschützt. Er oder sie kann trotzdem noch Long Covid bekommen.

  • Eine Studie aus Großbritannien geht davon aus, dass das Risiko bei einer zweiten Infektion sinkt.
  • Eine Studie aus den USA legt nahe, dass das Risiko sogar ähnlich hoch wie beim ersten Mal ist. Allerdings beruht die Studie auf Daten von Veteranen, also meist älteren Männern.
"Bei vielen Betroffenen verschwinden die Symptome mit der Zeit wieder."
Volkart Wildermuth, Deutschlandfunk-Nova-Wissenschaftsjournalist

Eine gute Nachricht: Bei vielen Betroffenen verschwinden die Symptome nach einiger Zeit wieder. Nach einer Analyse der Techniker Krankenkasse waren Menschen, die nach einer leichteren Infektion Long Covid bekommen haben, im Schnitt 90 Tage lang krankgeschrieben.

Die Symptome waren vor allem Atemprobleme, kognitive Störungen ("Brainfog") und eine Belastungsintoleranz, also die Tatsache, dass bereits geringe Belastungen zu einer erheblichen Verschlechterung des Zustands führen.

Solche Patient*innen mit Belastungsintoleranz behandelt Carmen Scheibenbogen am Charité Fatigue Center in Berlin. Laut ihrer Studie, die auf inzwischen längerfristigen Beobachtungsdaten beruht, besserten sich die Symptome bei Personen, die nicht so schwer betroffen waren, im Verlauf von Monaten.

Die meisten der schwer Betroffenen bleiben allerdings auch weiterhin schwer krank.

Long Covid: Stand der Forschung und Therapie

Die Therapien richten sich aktuell nach den jeweiligen Problemen der Betroffenen. Während es zum Beispiel für Atembeschwerden bewährte Reha-Strategien gibt, lassen sich dagegen Geschmacks- und Geruchsstörungen kaum behandeln.

Menschen mit einer Belastungsintoleranz wird in der Reha oft zur Aktivierung geraten, das kann aber laut einer Umfrage der Betroffenen-Initiative Long Covid Deutschland sogar zur Verschlechterung beitragen.

In der Grundlagenforschung wird aktuell versucht, die Mechanismen hinter den schweren Long-Covid-Verläufen zu verstehen. Parallel sind klinische Studien angelaufen, etwa zu bestimmten Formen der Blutwäsche, die zum Beispiel Autoantikörper herausfiltern, oder zu Medikamenten, die die Durchblutung fördern. Erste Ergebnisse werden noch in diesem Jahr erwartet.

Dass ein Wundermittel gegen Long Covid gefunden wird, ist allerdings eher unwahrscheinlich, glaubt Volkart Wildermuth. Trotzdem sei es äußerst wichtig, dass die Forschungsfinanzierung weiterläuft – das sei aber noch nicht gesichert.

Shownotes
Coronavirus
Long-Covid-Risiko bei Omikron-Variante geringer
vom 03. Mai 2023
Moderation: 
Gesprächspartner: 
Volkart Wildermuth, Wissenschaftsjournalist