Kristen Roupenian wurde 2017 auf einen Schlag bekannt: Die Kurzgeschichte "Cat Person" wurde zur viralen Sensation. Darin geht es um einen Mann, der nicht akzeptiert, dass eine Frau kein Interesse mehr an ihm hat. Sie hat noch Sex mit ihm, weiß aber nicht, wie sie aus der Nummer wieder herauskommt. Das gleichnamige Buch ist eine Story-Sammlung, die - vor allem wegen der anderen elf Erzählungen darin - lesenswert ist.
"Erstens: Es ist falsch" – schreibt Ellie in ihr Notizbuch. Und "zweitens: Ich könnte Ärger bekommen". Ellie sitzt in ihrem schönsten Schlafanzug neben einer brennenden Kerze und einem Glas Wein. Sie schreibt eine Liste. Dann ergänzt sie den zweiten Punkt um zwei weitere Unterpunkte, um a) Kündigung – und b) Gefängnis.
Den Job zu verlieren, wäre nicht schlimm. Ellie ist für die Unternehmenskommunikation zuständig und verbringt die meiste Zeit ihres Arbeitstages damit, E-Mails zu schrieben, die kein Mensch liest. Außerdem hat sie im Netz genügend Stellenanzeigen gefunden, die vielversprechend klingen. Sie würde sicher schnell was Neues finden. Vorausgesetzt, niemand erfährt, warum sie die alte Stelle verloren hat. Und was genau könnte man ihr vorwerfen? Stalking? Sexuelle Belästigung? Körperverletzung? Ja. Alles nicht so unwahrscheinlich.
Die Warum-ich-Corey-Allen-nicht-beißen-sollte-Liste
Ellies Privatleben ist strukturiert – und ereignisarm. Sie hat ein Sparbuch, aber keinen Freund. Und sie hat zwar einen festen Job, aber keine Pläne für die Zukunft. So gesehen wäre es egal, käme sie ins Gefängnis. Dafür müsste es aber erst mal eine Anzeige geben. Und die gäbe es ja wohl nur, wenn sie einen Fehler machen würde. Ein Fehler wäre, sich ertappen zu lassen, im Kopierraum, oder während eines Meetings. Das wäre ziemlich dumm. Aber auch ziemlich aufregend.
"Und wer sagt denn eigentlich, dass Corey es nicht auch schön finden würde?"
Corey Allen ist Ellies Büromanager. Der, den alle Kolleginnen heiß finden und nicht von der Bettkante stoßen würden, wie sie in Pausengesprächen scherzhaft oder weniger scherzhaft durchblicken lassen. Ellie kann die Schwärmerei ihrer Kolleginnen durchaus nachvollziehen. Und gewissermaßen teilt sie diese auch. Corey ist heiß. Allerdings will Ellie nicht mit ihm schlafen. Ellie will etwas, wofür ein Großteil der Menschheit wohl wenig Verständnis aufbringen würde. Deshalb schreibt sie diese Liste.
Motiv Bedürfnisse ausleben oder unterdrücken
"Die Beißerin" ist eine von zwölf Erzählungen im Buch "Cat Person" von Kristen Roupenian. Darin kämpft eine junge Frau gegen das Bedürfnis, Menschen zu beißen – und somit gewissermaßen auch gegen sich selbst.
Dieses Motiv, etwas zu wollen, was andere nicht wollen, findet sich auch in den anderen Erzählungen. Bedürfnisse werden entweder in selbstzerstörerischem Ausmaß ignoriert – oder rücksichtslos ausgelebt. Dazwischen scheint es nicht vieles zu geben. Machtspiele bestimmen das Zusammenleben der Figuren.
Machtspiele
Eine dieser Figuren, Jessica, ist erst zwölf. In der Erzählung "Look at Your Game, Girl" macht sie Bekanntschaft mit einem fremden Mann, der sich wie eine schlechte Angewohnheit in ihr Leben schleicht. Selbst viele Jahre später noch kann Jessica wegen ihm nicht gut einschlafen…
"Cat Person. Stories" von Kristen Roupenian, aus dem Amerikanischen Englisch ins Deutsche übersetzt von Nella Beljan und Friederike Schilbach, erschienen bei Blumenbar (aufbau), 285 Seiten, gebundene Ausgabe (Hardcover): 20 EUR, E-Book: 14,99 EUR; ET: 18.01.2019
Kristen Roupenian, Jahrgang 1982, studierte afrikanische Literatur in Harvard und arbeitete als freie Journalistin. Der Erzählungsband "Cat Person" ist ihr Debüt und erschien zeitgleich in 23 Ländern. Eine Verfilmung von HBO ist in Vorbereitung.