Ein Hipster "verleiht seinem Szenebewusstsein extravagant Ausdruck und ist dem Mainstream gegenüber gleichgültig" heißt es bei Wikipedia. Das bedeutet: Wenn irgendwas Mainstream wird, muss schnell was Neues her. Und das gilt nicht nur für Klamotten, Bärte oder Fahrräder - das gilt auch für Kaffee.
Die Autorin Jamila Rizvi war vor ein paar Tagen in einem Hipster-Kaffeeladen in Melbourne und hat Kaffee bestellt.
"Sie bekam dann aber nicht eine Tasse, sondern drei Behälter, die eher an den Chemieunterricht erinnern."
Und da waren dann getrennt drin: Espresso, heißes Wasser und heiße Milch. Serviert wurde ihr das auf einem Holzbrettchen - als neuer Trend: Deconstructed Coffee.
Jamila Rizvi war entsetzt, sogar richtig empört.
"Sorry Melbourne but no. No no no no no. I wanted a coffee. Not a science experiment. Hipsterism has gone too far."
Der Post hat eingeschlagen: Zehntausende Likes und tausende Kommentare. Viele Leute haben dann auch Fotos gepostet von ihrem Deconstructed Coffee zu Hause: Kaffeedose, Wasserkocher und Milchpackung - frei nach dem Motto: "Deconstructed Coffee, hab ich seit Jahren jeden Morgen zu Hause!"
Mehr Individualisierung geht nicht (?)
Ihr denkt jetzt vielleicht an die 80er Jahre. Mit Oma, Kännchen Kaffee mit extra Kännchen Milch auf der Terrasse. Aber was sagt der deutsche Barista dazu? Wäre Deconstructed Coffee auch was für hier? Unser DRadio-Wissen-Kaffee.Tester Arne Hell hat sich in Köln in eine sehr experimentelle Kaffeebar gesetzt, mit jeder Menge verschiedener Espressosorten, speziellem Filterkaffee und sogar kalt extrahiertem Kaffee.
Barista Maren Ernst war tatsächlich sogar etwas pikiert, als er ihr von Deconstructed Coffee zum Selbermischen erzählt hat.
"Das ist unser Individualisierungsdrang - aber in einer Kaffee-Bar sollte man sich mal zurücklehnen und das den Fachmann machen lassen."
Sie sagt: Ich geh ja auch nicht ins Spitzenrestaurant, und dann legt mir der Koch alle einzelnen Zutaten auf mehrere Teller und sagt: Jetzt misch mal.
"Gerade Kaffee gut zu machen bedarf schon eines gewissen Know-How."
Das Selbstzusammenkippen kann schnell auch schiefgehen…
Was kann man denn alles falsch machen?
- Der Kaffee selbst, der Espresso, ist ja fertig (und hoffentlich hochwertig und lecker)
- Aber bei der Mischung mit dem heißen Wasser - wenn man einen Americano haben will - könnt ihr es dann schon versauen
- Und dann? Ups, zu viel reingekippt, kann ich noch einen haben?
- Ganz kritisch wird es dann bei der Milch, sagt Maren Ernst. Denn dabei geht es ja nicht nur darum, dass das schön aussieht, sondern darum, dass sich die Milch mit dem Kaffee schön und harmonisch verbindet
"Wenn man da zu lange wartet, dann muss man die eigentlich wieder neu schäumen."
Arne Coffee Hell glaubt: Deconstructed Coffee wird auch bei uns bald auftauchen. Aber echte Kaffee-Maniacs aus Leidenschaft wie Maren Ernst, die werden es nicht machen. Sie sagt: Wenn schon drei Tassen auf einem Holzbrettchen servieren, dann lieber für einen Geschmacksvergleich, um verschiedene Röstungen zu probieren.
"Oder von einer Bohne die unterschiedlichen Extraktionsformen: Espresso, Filterkaffee und Cold Brew."