Putzen und putzen lassen. Als Luxus oder aus Faulheit delegieren wir Aufgaben, wo es geht, an spottbillige Dienstleister. Und das sogar online. "Das macht faul und dumm", sagt der Autor Christoph Bartmann.

Alle sind so aufgeschlosssen, fair und korrekt. Aber da gibt es die Polin, die die Wohnung putzt. Die Einkäufe trägt der Bote die Treppe hoch, und abends kommt der Lieferdienst mit dem Essen. Für Haushalt, Kinderbetreuung und Pflege suchen wir uns am einfachsten im Internet Personal.

Die neue Bequemlichkeitskultur

Das hat Überhand genommen, meint Christoph Bartmann. Besonders in New York , wo er lebt. Hier ist das Servicesystem bereits voll ausgearbeitet, erklärt der Autor des Buches "Die Rückkehr der Diener". Allein Popsänger Sting beschäftigt 100 Leute - ein echter Hofstaat. Aber es geht gar nicht um die Entourage der Reichen und Superreichen, sondern um die Leute aus der Mittelschicht, denen alles zu viel wird.

"Das sind Leute, die gestresst sind oder sich für gestresst halten, weil sie sich einfach zu viel aufgeladen haben."
Christoph Bartmann

Häusliche Dienstleistungen aller Art werden für sie das Ventil, das für Entlastung sorgen soll. Weil sie sich einfach übernehmen, mit dem, was sie tun, meint Christoph Bartmann. Die Gesellschaft wird geteilt in putzen und putzen lassen. Und das Leben wird getrennt in Arbeit und die "Qualitytime" mit Weekend-Yoga und Party. Um den Schmutz sollen sich die anderen kümmern. Die Neofeudalisierung (Unser Hörsaal zum Thema) passiert schleichend dort, wo man sich scheinbar aufgeklärt gibt.

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"Es gibt bestimmt Situationen, wo es total unerlässlich ist, sich zuhause Hilfe zu holen", ergänzt Christoph Bartmann: Oft bei der Altenpflege oder auch bei der kompletten Abdeckung der Kinderbetreuung. "Es gibt viele Bereiche, wo wir total froh sind, dass es Leute wie das Au-Pair gibt". Worum es ihm geht: diese Menschen nicht auszubeuten.

"Das ist pervers"

Vor allem in den USA, so Christoph Bartmann, übernehmen viele Einwanderer diese ausbeuterischen Jobs. Es kommt zum Klassen-Clash - nicht, weil sie wie früher keine Rechte haben, sondern weil sie keinen Gebrauch davon machen (können). Weil sie etwa keinen festen Wohnsitz oder die entsprechende Staatsbürgerschaft haben.

"Die Servicementalität ist in den USA auf beiden Seiten bereits viel stärker ausgeprägt als in Deutschland", sagt der Autor. Hierzulande ist das "Selbermachen" noch etwas stärker verankert. "Wir sind noch kein Land, in dem wir von Dienern umgeben sind." Aber bei uns ist ein Wechsel Richtung Arbeitsdelegation zu bemerken. Auch der Single-Haushalt oder die Studi-WG gönnt sich Putz- und Servicekräfte. Häusliche Dienstleistungen sind einfach, günstig und überall zu haben.

"​Das macht faul und dumm. Diese Art der digitalen Delegation, wo nicht mal irgendeine Form von Aufwand erforderlich ist, um jemanden kennenzulernen, finde ich äußerst bedenklich."
Christoph Bartmann

Aktueller Trend sind Online-Butler-Angebote, bei denen anonym und kostengünstig einfache Dienste abgegeben werden. Jemand kommt vorbei, der unsere To-Do-Liste ab 30 Dollar die Woche abarbeitet, ohne dass wir ihn je gesehen haben. Diese Butler-Dienste bietet zum Beispiel der US-Anbieter Hello Alfred. "Das finde ich pervers", sagt Christoph Bachmann.

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Shownotes
Feudalisierung für jeden
Die neuen Diener
vom 21. August 2016
Moderator: 
Markus Dichmann
Gesprächspartner: 
Christoph Bartmann, Autor des Buches "Die Rückkehr der Diener"