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Impfpflicht ja oder nein? Gesundheitsminister Jens Spahn und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sind da offenbar nicht ganz einer Meinung. Das verwirrt und das ist nicht gut in einer Krise, wie wir sie gerade haben, sagt der Krisenforscher Frank Roselieb. Gute Krisenmanager leisten sich auch mal Fehler, doch in der aktuellen Situation fehle es an Orientierung.

Die Debatte über eine mögliche Impflicht sei prinzipiell richtig, aber sie komme zum falschen Zeitpunkt, sagt Frank Roselieb, Direktor des Institutes für Krisenforschung, ein Spin-Off der Uni Kiel. Mit dem neuen Infektionsschutzgesetz von 2001 sei es ohnehin möglich die Impfpflicht flächendeckend einzuführen, wenn nötig. Ein Impflicht habe es außerdem schon in der DDR gegeben und auch in Deutschland hätten wir uns Jahrzehnte gegen Pocken impfen lassen müssen. Doch stelle sich die Frage nach der Impfpflicht eigentlich nicht, solange nicht genügend Impfstoff vorhanden ist.

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"Solange die Menschen eher zu wenig als zu viel Impfstoff haben, stellt sich die Frage nach der Impfpflicht eigentlich gar nicht."
Frank Roselieb, Direktor des Institutes für Krisenforschung, ein Spin-Off der Uni Kiel

Das Impfpflicht sollte erst dann ein Thema sein, wenn Menschen ihre Impftermine verstreichen lassen würden. Doch auch dann würde man zunächst verstärkt für die Impfung werben, sagt Frank Roselieb. Die Impfpflicht stattdessen sofort einführen zu wollen, könne im beginnenden Bundestagswahlkampf auch nach hinten losgehen.

Extremsituation Corona-Pandemie

Im Nachgang sei es natürlich leicht auf Fehler hinzuweisen. Doch gebe es durchaus Sachen, die auch positiv laufen. Es dürfe auch nicht vergessen werden, dass die Pandemie eine Extremsituation ist, die Politikerinnen und Politiker im Laufe ihrer Karriere, wenn überhaupt, nur sehr selten erleben.

Klar, dass sie da am Anfang etwas schwimmen, doch langsam sollte man sich in Richtung Ufer bewegen, sagt der Krisenforscher. In der aktuellen Situation vermisst Frank Roselieb von der Politik eine klarere Orientierung und Richtungsweisung. Für Menschen sei das in der jetzigen Situation wichtig.

"Ich vermisse ich in der aktuellen Kommunikation so ein bisschen die Landkarte, die man braucht, um irgendwann wieder auch den Menschen zu zeigen: Das Ende ist sichtbar."
Frank Roselieb, Direktor des Institutes für Krisenforschung, ein Spin-Off der Uni Kiel

Die Forschung zeige, dass Politikerinnen und Politiker in Krisensituationen in einer Art loose-loose-Situation stecken – eine Situation, in der sie eigentlich fast nicht gewinnen können. Beispiel Angela Merkel: Im Herbst hatte die Kanzlerin vor einem Weihnachten mit 20.000 Inzidenzen gewarnt. Die Zahlen wurden allerdings schon im Oktober erreicht.

Wären wir von Beginn an der Kanzlerin gefolgt und wäre der Krisenfall dann nicht eingetreten – also weniger Infizierte und Tote – wäre die Kritik an den Schutzmaßnahmen vermutlich umso größer. Im Krisenmanagement werde eine solche, für Politiker unangenehme Situation, self-fulfilling Prophecy genannt – ein selbsterfüllende Prophezeiung.

Politik als Schiedrichter in der Pandemie-Bekämpfung

Erst kürzlich hatte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow eigene Fehler im Kampf gegen das Coronavirus eingestanden. Wenn Politikerinnen und Politiker nicht auch kleine Fehler machen würden, nehme ihnen keiner ihre Arbeit als Krisenmanager mehr ab, so der Krisenforscher. Im Krisenmanagement gelte der Grundsatz: Gute Krisenmanager fliegen irgendwann raus, weil einfach keine Krisen mehr passieren, sagt Frank Roselieb. Das wollen Politikerinnen und Politiker aber natürlich verhindern.

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Im Kampf gegen die Pandemie schlägt der Krisenforscher vor, mit einem transparenten Wenn-Dann-System zu arbeiten. Heißt zum Beispiel: Sinken die Fallzahlen bis zu einem bestimmten Wert, darf die Gastronomie wieder öffnen. Genauso auch der klare Hinweis auf Änderungen und Anpassungen, wenn die Zahlen ins Negative kippen.

Menschen bräuchten eine Art Landkarte und Spielregeln im Kampf gegen das Virus. Die Politik sei da so ein bisschen der Schiedsrichter, der vorgebe, was auf dem Spielfeld erlaubt ist und der auch mal ein Foul pfeift, wenn es nötig ist.

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an Info@deutschlandfunknova.de

Shownotes
Die Politik und die Pandemie
Krisenforscher: "Es fehlt an Orientierung"
vom 15. Januar 2021
Moderator: 
Thilo Jahn
Gesprächspartner: 
Frank Roselieb, Direktor des Institutes für Krisenforschung, ein Spin-Off der Uni Kiel