Wer macht sich heute eigentlich noch einen Iro? Bei Sascha Lobo ist er eher ein Markenzeichen als ein Zeichen von Dissidenz. Sind Punk und Gegenkultur tot? Die Antwort ist schwierig.

Für schwierige Fragen zur vernetzten Gegenwart haben wir glücklicherweise den Digitalen Salon. Der Digitale Salon ist die Veranstaltung, die das Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft und wir von DRadio Wissen jeden Monat gemeinsam auf die Beine stellen. "Für immer Punk" war am 29. Juni die Überschrift. Es sollte um Jugend- und Gegenkultur unter den Bedingungen des Netzes gehen.

Geladen waren vier Gäste:

  • Charly Nepolsky
  • Gabriele Rohmann
  • Tarik Tesfu
  • Schorsch Kamerun

Charly ist 15 Jahre alt, sie geht zur Schule. Sie trägt einen Haarreif mit Katzenohren, dazu schwarze Brille und geringelte Overknees - Trends mitmachen will sie auf keinen Fall, sagt sie. Eher sieht sie sich als Alternativpunk - oder gerne auch als Nerd. Sie liebt Einhörner und Katzen, zeichnet Comics und liebt den Youtube-Kanal "Breeding Unicorns". Sie hat bei "Jugend hackt" mitgemacht, dann folgte ein Praktikum bei der Tincon, der Teenage Internetwork Convention. Das ist die Republica für Junge, angepeilt werden Menschen zwischen 13 und 21. Im Mai hat sie in Berlin zum ersten Mal stattgefunden.

"Die Hater machen dich fertig, einfach nur weil sie Aufmerksamkeit haben wollen oder Langeweile haben, und das macht das Digitale eigentlich ganz schön fies."
Charly Nepolsky, Schülerin

Neben ihr auf dem Podium saß Gabriele Rohmann. Gabi leitet als Sozialwissenschaftlerin das Berliner Archiv der Jugendkulturen, das sie auch mitaufgebaut hat. Im Archiv horten sie und ihre Kollegen Poster, Flyer, Festivalbändchen. Wer zum Thema Jugendkultur forscht, kommt um ihre Sammlung kaum herum. Britische Emos, deutsche Ökos, israelische Punks - alles erforscht und so weit möglich archiviert.

"Ich würde der These, dass wir jetzt wegen des Internets keine Jugend- oder Gegenkulturen mehr haben, widersprechen."
Gabriele Rohmann, Archiv der Jugendkulturen Berlin

Tarik Tesfu ist Videoblogger. Er spricht auf Youtube über Geschlechterrollen und Klischees - und über Ideen, die solche Stereotypen infrage stellen. Er lädt sich Gäste wie Anne Wizorek oder Sookee ein und quatscht mit denen über Geschlecht, Gender und Körper. "Tariks Genderkrise" heißt das Format. LeFloid hat zwar mehr Klicks, aber so zwischen 1000 und 8000 pro Video sind drin für "Tariks Genderkrise".

"Nur weil mir mein Umfeld mir diese Normalität nicht ermöglicht, heißt das nicht, dass ich das Problem bin."
Tarik Tesfu, Videoblogger

Schorsch Kamerun wurde 1963 in die "alte Bundesrepublik" hineingeboren. Seit 14 Jahren regierte damals Konrad Adenauer. Auf der Suche nach Abgrenzung und Zugehörigkeit ist Kamerun als Jugendlicher beim Punk gelandet, durch Punk errettet worden.

Kamerun ist seit Ewigkeiten Sänger der Goldenen Zitronen - seit einigen Jahren arbeitet er auch als Theaterregisseur. Einen Iro trägt er nicht mehr, weil sich das für ihn erledigt hat. Als Punk würde er sich aber immer noch bezeichnen.

Du kannst heute immer noch in den Wald ziehen. Aber das ist einfach aussteigen. Unser Zeugs war aber innerhalb, und trotzdem deutlich dagegen. Und das konnten wir jeden Tag zeigen und leben. Und das ist schwieriger geworden.
Schorsch Kamerun, Die goldenen Zitronen

Weitere Hörsäle bei DRadio Wissen:

Shownotes
Digitaler Salon
Für immer Punk?
vom 17. Juli 2016
Moderatorin: 
Katja Weber
Diskussionsteilnehmer/-innen: 
Schorsch Kamerun, Sänger der "Goldenen Zitronen"; Charly Nepolsky, Jugendbeirat der tincon; Gabriele Rohmann, Leiterin des Archiv der Jugendkulturen e.V.; Tarik Tesfu, Video-Blogger auf "Tariks Genderkrise"