"Das Coronavirus gibt es gar nicht" oder "Flugzeuge verteilen Chemikalien, die uns manipulieren sollen" - um auf solche und andere Verschwörungserzählungen richtig zu reagieren, gibt die Journalistin Ingrid Brodnig Tipps.
Möglicherweise sind wir im ersten Moment etwas perplex, wenn jemand, der uns nahe steht, Verschwörungserzählungen verbreitet. Möglicherweise ist unser erster Reflex: "Was für ein Unsinn!"
Ingrid Brodnig ist Journalistin und Buchautorin. In ihrem neuen Buch "Einspruch" erklärt sie, wie wir am besten auf Verschwörungsmythen in unserem Umfeld reagieren können.
Die Motivation erkennen
Oft stecke Angst oder das Bedürfnis nach Gewissheit hinter Verschwörungserzählungen, sagt Ingrid Brodnig. Menschen, die Verschwörungsmythen verbreiten, seien meist auf der Suche nach einer "großen Erklärung". Die Journalistin bezieht sich dabei im Interview auch auf eine Studie der Hochschule Management Center Innsbruck, die den Zusammenhang zwischen Angst und Verschwörungserzählungen untersucht hat.
Weil diese Erklärungsversuche, die nicht auf Fakten basieren, auf einer emotionalen Ebene funktionieren und nicht auf einer inhaltlichen, helfe es meist nicht, diese Menschen mit einem Faktencheck zu konfrontieren, sagt Ingrid Brodnig.
Menschen, die an Verschwörungsmythen glauben, ließen sich von Fakten nicht unbedingt überzeugen. Denn sie glauben eher denjenigen, die ihre Meinung teilen.
"Man kann davon ausgehen, dass solche Geschichten Leuten ein bisschen Halt geben. Zum Beispiel sagen sie, Bill Gates ist schuld. Damit haben sie einen klaren Schuldigen gefunden."
Ingrid Brodnig rät, wertschätzend und nicht abfällig mit Personen umzugehen, die beispielsweise Verschwörungserzählungen im Familienchat auf Instant-Messaging Diensten verbreiten. Andere vor den Kopf zu stoßen oder vor anderen bloßzustellen, macht es oft noch schwieriger, diese Menschen mit Argumenten zu überzeugen, sagt sie. Darin liege die Gefahr, die Chance zu verpassen, den anderen zu erreichen, damit er noch einmal zurückrudern kann.
Die Herausforderung sei vor allem, in der Sache zu widersprechen, dabei der Person gegenüber trotzdem Wertschätzung zu zeigen. So könnten wir vermeiden, dass sich die Person angegriffen fühlt. Dieser sogenannte "Nasty Effect" sei auch wissenschaftlich untersucht, sagt die Buchautorin.
"Darum ist dieser erste Impuls, hart zu reagieren, manchmal ungeschickt. Er ist dann ungeschickt, wenn sie die Person noch erreichen wollen."
Vereine bieten profesionelle Unterstützung für Angehörige
"Umdenken kann ein langsamer Prozess sein", sagt Ingrid Brodnig. Wenn ein Freund oder eine Familienangehörige einen Verschwörungsmythos mit uns teilt, könnte es helfen zu fragen, woher die Person ihre Informationen hat, um gemeinsam diese Quelle darauf zu prüfen, ob sie seriös ist.
"Wenn etwas Grobes, Gefährliches oder gar Radikales gesagt wird, würde ich das benennen, aber gleichzeitig sehr stark auf die rhetorische Abrüstung achten. Die Gefahr ist, dass man selbst hämisch reagiert."
Wenn jemand etwas Gefährliches oder Radikales äußert, sollten wir das ganz eindeutig benennen, sagt Ingrid Brodnig, ohne dabei zum Beispiel hämisch zu reagieren. Also immer wertschätzend bleiben.
Auf Warnsignale achten
Wichtig sei es auch, auf Warnsignale zu achten, die darauf hinweisen, dass eine Person sich radikalisiert. Zeichen dafür können sein: Jemand schottet sich ab, lehnt klassische Medien ab und wird laut in Diskussionen.
Besonders für Angehörige kann es belastend sein, wenn sie immer wieder die gleichen Auseinandersetzungen wegen bestimmter Verschwörungsmythen erleben. In diesem Fall und auch bei einer sich andeutenden Radikalsierung empfiehlt Ingrid Brodnig sich professionelle Unterstützung, zum Beispiel bei Vereinen wie dem Zentrum für Betroffene rechter Angriffe (Zebra), zu suchen.