Nach dem Zweiten Weltkrieg lockt Großbritannien Arbeitskräfte aus den karibischen Kolonien ins Land. Sie werden britische Staatsbürger. Über 60 Jahre später ändert sich die Situation – mit den Gesetzesverschärfungen der damaligen Innenministerin Theresa May.

Es ist ein gewaltiger politischer Skandal, als die spätere Premierministerin Theresa May 2012 sagte, man müsse "in Großbritannien ein wirklich feindliches Klima für illegale Migranten" schaffen. Vorausgegangen waren im gleichen Jahr verschärfte Regeln für Migrantinnen und Migranten, die die damalige Innenminister May durchgesetzt hatte: Bei der Wohnungssuche, bei der Nutzung des National Health Service oder auch am Arbeitsplatz musste eine Aufenthaltsgenehmigung vorgelegt werden.

Vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen

Der Haken an der Sache: Zigtausend legal auf die Insel eingewanderte Menschen aus der Karibik hatten bei Ihrer Einreise keine Papiere bekommen – ihre Kinder ebensowenig. Damit waren sie per Gesetz vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen, weil sie keine Aufenthaltsgenehmigung bekommen hatten.

Trotzdem waren sie nicht illegal. Denn als nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in England jede Menge Arbeitskräfte benötigt wurden, verfiel die Regierung der Idee, Männer und Frauen aus den karibischen Kolonien ins Land zu holen, die die Lücke auf dem Arbeitsmarkt füllen könnten. Die ersten legal ins Land geholten Menschen kamen mit dem Schiff "Empire Windrush" der Royal Navy im Juni 1948 in Tilbury / Essex an: Rund 500 Männer, Frauen und Kinder, die wegen des vorher verabschiedeten "British Nationality Acts" britische Staatsbürger waren.

Kein freundlicher Empfang

Doch der Empfang für die neuen Staatsbürger war schlecht. Die Bevölkerung stand ihnen ablehnend gegenüber, weil die Einschränkungen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ihr Leben massiv beeinträchtigten. Viele Einwanderer wurden in Tunnelschächten untergebracht und mussten unter schlechten Bedingungen arbeiten.

Mehr als 60 Jahre später sollten sie mit den Gesetzesverschärfungen der damaligen Innenministerin Theresa May quasi über Nacht zu Illegalen erklärt und abgeschoben werden. Der große Windrush-Skandal beginnt, als eine Betroffene in einer Zeitung darüber berichtet. In London sorgte das für große Aufregung und führte zum Rücktritt der Innenministerin Amber Rudd.

Ihr hört in "Eine Stunde History":

  • Der Historiker Franz-Josef Brüggemeier berichtet über die Ankunft der ersten Windrush-People 1948
  • Der Schweizer Journalist Markus Häfliger hat sich mit der ersten Generation der Einwanderer beschäftigt
  • Die Auslandskorrespondentin Stefanie Bolzen erläutert Hintergrund und Ausmaß des Windrush-Skandals
  • Deutschlandfunk-Nova-Geschichtsexperte Matthias von Hellfeld blickt zurück auf die wirtschaftliche und politische Lage Großbritanniens nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs
  • Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Wiebke Lehnhoff schildert die Überfahrt der MS Windrush nach England

Info: Unser Bild oben links zeigt junge Männer aus Jamaika am 22. Juni 1948, die gerade mit der S.S. Empire Windrush in England angekommen sind. Unser Bild oben rechts zeigt (v.l.n.r.) die Windrush-Aktivist*innen Michael Anthony Braithwaite, Janet Mckay-Williams, Auckland Elwaldo Romeo, Glenda Caesar, Patrick Vernon und Dr. Wanda Wyporska, wie sie am 6. April 2023 vor dem Sitz des Regierungschefs in London in der Downing Street eine Liste mit Forderungen übergeben.

Shownotes
Einwanderung nach Großbritannien
Die "Generation Windrush"
vom 12. Mai 2023
Moderation: 
Meike Rosenplänter
Gesprächspartner: 
Matthias von Hellfeld, Deutschlandfunk Nova
  • Deutschlandfunk-Nova-Geschichtsexperte Matthias von Hellfeld blickt zurück auf die wirtschaftliche und politische Lage Großbritanniens nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs
  • Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Wiebke Lehnhoff schildert die Überfahrt der MS Windrush nach England
  • Der Historiker Franz-Josef Brüggemeier berichtet über die Ankunft der ersten Windrush-People 1948
  • Der Schweizer Journalist Markus Häfliger hat sich mit der ersten Generation der Einwanderer beschäftigt
  • Die Auslandskorrespondentin Stefanie Bolzen erläutert Hintergrund und Ausmaß des Windrush-Skandals