Spätestens in der Pubertät wird uns klar: Wir wollen niemals so werden wie unsere Eltern. Linda Mitterweger ist Psychologin und sagt: Das ist gar nicht schlimm – und kann uns im späteren Leben sogar helfen.

Es ist ein entspannter Abend in der Kneipe, bei dem wir unseren Gegenüber zum fünften Mal unterbrechen, um ihn zu korrigieren und dann feststellen: Oh Gott, ich bin genau wie mein Vater! Dabei können wir uns noch zu gut daran erinnern, wie schrecklich wir dieses Verhalten fanden, als wir fünfzehn waren. Denn wir erben nicht nur äußerliche Merkmale, wie lange Beine, volles Haar oder Sommersprossen, sondern auch viele Charaktereigenschaften. Und mit manchen sind wir eben alles andere als einverstanden. Psychologin Linda Mitterweger macht uns Mut. Sie sagt, dass wir uns nicht unserem Schicksal ergeben müssen und manche Verhaltensweisen auch abtrainieren können.

"Die Erkenntnis, dass ich die Angewohnheit übernommen habe und nicht behalten möchte, ist der erste Schritt eine neue Verhaltensform einzuüben, die besser zu mir passt."
Linda Mitterweger, Psychologin

Können uns schlechte Eigenschaften unserer Eltern abtrainieren

Das funktioniert leider nicht über Nacht und ist ein langer Prozess, trotzdem müssen wir uns nicht mit Eigenschaften zufriedengeben, die uns nicht gefallen. Aber gerade, dass wir in unserer Jugend an manchen Verhaltensweisen unserer Eltern zweifeln, könnte uns im Erwachsenenalter ein Verhältnis auf Augenhöhe ermöglichen: In der Pubertät stellen wir fest – Mama und Papa sind gar nicht so perfekt, wie wir immer gedacht haben. Damit beginnt ein Ablöseprozess, in dem Kinder herausfinden, wer sie eigentlich sein wollen, erklärt Linda Mitterweger. Ist dieser Vorgang abgeschlossen, können wir wieder Nähe zu unseren Eltern aufbauen und sie auch als eigenständige Personen außerhalb ihrer Erziehungsrolle wahrnehmen.

"Wenn man sich bereit erklärt, die Eltern auf dieser Ebene kennenzulernen, hat man auch ein großes Vorbild, von dem wir Positives und Negatives erfahren kann."
Linda Mitterweger, Psychologin

Müssen Eltern als Personen kennenlernen, um uns von Kinderrolle zu Lösen

Wir können unsere Eltern dann nach Karrieretipps fragen, sie um Hilfe bitten, wenn wir eigene Kinder haben oder sogar Interessen und Hobbys mit ihnen teilen. Trotzdem gibt es auch einige Menschen, die sich nie aus der Kinderrolle lösen und die Obrigkeit ihrer Eltern nicht infrage stellen. Da sei nicht schlimm, sagt Psychologin Linda Mitterweger, trotzdem könnte uns damit ein besonderes und vor allem anderes Verhältnis zu unseren Eltern verloren gehen. Allerdings gibt es auch viele Menschen, die gar kein großes Interesse an ihrer Mutter oder ihrem Vater haben, weil sie in der Vergangenheit von ihnen enttäuscht wurden. Das könne sich insbesondere auf das Beziehungsverhalten auswirken, erklärt die Psychologin. Manche Personen könnten das gut wegstecken, für andere bleibe es ein Leben lang eine Hürde.

"Die einen interpretieren es, als seien sie allein gelassen worden und entwickeln eine Angst davor, erneut verlassen zu werden. Andere sagen – ich bin stark und losgelöst, kann richtige Entscheidungen treffen und deshalb gut auf mich aufpassen."
Linda Mitterweger, Psychologin

Stellen wir fest: Das Verhältnis zu unseren Eltern prägt uns ein ganzes Leben, trotzdem müssen wir nicht einfach ihre Eigenschaften übernehmen, die uns nicht gefallen. Egal ob wir unseren Eltern in der Kinderrolle, als erwachsene Person oder gar nicht begegnen.

Meldet euch!

Ihr könnt das Team von Ab 21 über WhatsApp erreichen.

Uns interessiert: Was beschäftigt euch? Habt ihr ein Thema, über das wir unbedingt in der Sendung und im Podcast sprechen sollen?

Schickt uns eine Sprachnachricht oder schreibt uns per 0160-91360852 oder an ab21.dlfnova@deutschlandradio.de.

Wichtig:
Wenn ihr diese Nummer speichert und uns eine Nachricht schickt, akzeptiert ihr unsere Regeln zum Datenschutz und bei WhatsApp die Datenschutzrichtlinien von WhatsApp.

Shownotes
Eltern-Kind-Beziehung
Oh Gott, ich bin wie mein Vater!
vom 07. November 2019
Moderation: 
Shalin Rogall
Interviewpartnerin: 
Linda Mitterweger, Psychologin