Ein Artikel macht gerade bei Social Media die Runde: Er hat angeblich eine plausible Erklärung, wie Donald Trump das mit dem Präsidenten-Coup gelungen ist. Im Mittelpunkt: Eine Methode, die ein Psychologie-Professor entwickelt hat - und mit dessen Hilfe Trumps Wahlhelfer eine kleine Revolution auf Facebook angezettelt haben sollen.
Angeblich hat alles eine Menge mit dem Internet zu tun - mit Filterblasen und Fake-News. Oder mit Social-Network-Profiling, also mit der gezielten Ansprache von potenziellen Trump-Wählern. Am Samstag hat die Schweizer Website "Magazin" diese Variante in einem großen Artikel veröffentlicht. Im Mittelpunkt steht Michal Kosinski, ein Psychologie-Professor der Stanford University, der sich nun fragt, was er angerichtet hat. Michal Kosinski macht am Morgen nach der Wahl den Fernseher an, sieht das Wahlergebnis und ahnt, dass das Ergebnis etwas mit seiner Forschung zu tun haben könnte.
Alles nur Berater-Astrologie?
Michal Kosinski hat einen Ansatz entwickelt, der einst spektakulär war und mittlerweile praktisch Netz- oder Social-Media-Allgemeingut ist: Er hat Facebook-User einen Fragebogen ausfüllen lassen, der auf die klassischen Persönlichkeitsprofile abzielt, also zum Beispiel Extrovertiertheit. Das hat er dann mit den Profilen oder dem Like-und Share-Verhalten kombiniert. Das Resultat: Anhand einer bestimmten Anzahl von Likes kann er mit sehr hoher Trefferquote vorhersagen, ob ein User weiß, schwul oder Alkoholiker ist, welcher Religion er abgehört und welche politische Präferenz er hat.
"Einen großen Unterschied darin, Donald Trump als Präsidenten zu lancieren und Schokoriegel zu verkaufen, sehe ich nicht."
Auch der Schwiegersohn von Donald Trump hatte kurz nach der Wahl beschrieben, er hätte eine Agentur beauftragt, die ganz gezielt Facebook-Anzeigen bei potenziellen Wählern geschaltet hatte. Kurz nach der Wahl brüstete sich dann eine Agentur namens Cambridge Analytica damit, einen wichtigen Beitrag zum Sieg für Donald Trump geleistet zu haben. Cambridge Analytica hat das mehr oder weniger von Michal Kosinski abgekupfert, auch weil es kein Patent auf die Methode gibt. Die Geschichte endet quasi mit dem Haare raufenden Zauberlehrling Kosinski, der den Geist nicht mehr in die Flasche bekommt und seufzt: "Ich habe die Bombe nicht gebaut. Ich habe nur gezeigt, dass es sie gibt."
Das ist jetzt nicht die ultimative Erklärung für Trumps Wahlsieg, sagt unser DRadio-Wissen-Reporter Michael Gessat und auch im Netz gab es ziemlich schnell kritische Reaktion auf den Artikel. So vertritt zum Beispiel der Digital Consultant Jens Scholz die These, die gezielte Ansprache über Target-Profile eigne sich bestenfalls dazu, Leute in ihrer Meinung oder ihrem Weltbild zu bestärken und zu motivieren. Sie sei aber weniger geeignet, Unentschlossene in eine bestimmte Richtung zu bugsieren. Wenn eine Agentur so etwas als Leistung verspreche oder als Erfolg reklamiere, dann sei das "Berater-Astrologie", um den hohen Preis zu rechtfertigen.
Auch Scholz‘ Text löste wieder viel Kritik aus. Er würde seine Thesen von der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit des psychologisch fundierten Targeting auch nicht belegen können. Bleibt festzuhalten: Dass Targeting irgendwie funktioniert, ist klar - das sehen Werbekunden ja an ihren Verkaufszahlen. Andernfalls würden sie solche Dienste auch nicht buchen. Die Trump-Kampagne hat ihre finanziellen Ressourcen eben dort eingesetzt, wo es am effektivsten wirkt oder wo man ihnen das versprochen hat. Und dass Werbe- und Targeting-Profis ihr Geschäft mächtig aufplustern, gehört halt zum Business.