Wer darf Euch etwas raten? Auf wen hört Ihr? Eure Eltern? Einen Lehrer? Eure Professorin? Autorität ist ambivalent, sagt der Erziehungswissenschaftler Thorsten Merl. Sie ist gleichzeitig legitim und nicht legitimierbar. Was ist Autorität überhaupt?

Mit der Autorität ist das so eine Sache. Einerseits brauchen wir sie offenbar: Ohne Autorität sind etwa Erziehung und Bildung, wie sie in unserer Gesellschaft überwiegend praktiziert werden, gar nicht denkbar.

Auch später in unserem Leben spielen Autoritäten eine Rolle, sie bieten uns Halt und Orientierung. Nicht zuletzt fordert auch unser gesamtes soziales und politisches System von uns die Anerkennung verschiedenster Autoritäten – ob wir das wollen oder nicht.

"Autorität lässt sich eigentlich nicht abschließend legitimieren."
Thorsten Merl, Erziehungswissenschaftler

Gleichzeitig zeigt sich unsere Gesellschaft, spätestens seit den 68er-Jahren, Autorität gegenüber immer kritischer. Und das aus guten Gründen: Lehren aus der Geschichte etwa oder – siehe #FridaysforFuture – weil viele von uns das Vertrauen in das Handeln der älteren Generationen verlieren.

Autorität: ambivalent und asymmetrisch

Lässt sich dieser Widerspruch zwischen Notwendigkeit von und Misstrauen gegenüber Autorität auflösen? In einem ersten Schritt müssen wir dafür erst einmal verstehen und kritisch hinterfragen, was Autorität eigentlich ist und woher sie kommt.

"Glaube ist letztlich das zentrale Kriterium für Autorität."
Thorsten Merl, Erziehungswissenschaftler

Der Erziehungswissenschaftler Thorsten Merl untersucht in seinem Vortrag das asymmetrische Verhältnis zwischen Lehrenden und Schüler*innen und analysiert dabei die Ambivalenz von Autorität. Unter anderem sucht er eine Antwort auf die Frage, wie sie sich überhaupt begründen lässt. Spoiler: Möglicherweise gar nicht.

Thorsten Merl ist Erziehungswissenschaftler und derzeit Vertretungsprofessor für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Heterogenität am Institut für Erziehungswissenschaft der RWTH Aachen. Seinen Vortrag "Zur A/Symmetrie pädagogischer Autorisierungen in Schule und Unterricht" hat er am 6. Februar 2023 im Rahmen des Kolloquiums "A/Symmetrie – Interdisziplinäre Perspektiven" gehalten. Das wurde von der Jungen Akademie an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften organisiert und von der Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften, deren Mitglied er ist.

Shownotes
Erziehung, Bildung und Führung
Vom Ursprung der Autorität
vom 17. August 2023
Moderation: 
Katrin Ohlendorf
Vortragender: 
Thorsten Merl, Institut für Erziehungswissenschaft, RWTH Aachen
  • Einführung mit Infos zu Vortrag und Redner
  • Überblick über den Vortragsinhalt
  • Die Asymmetrie der Autorität
  • Die Ambivalenz der Autorität: Zwischen Autoritätskritik und Neuer Autorität
  • Autorität und das selbstbestimmte Subjekt
  • Die Grundlosigkeit von Autorität und der Glaube an ihre Legitimität
  • Autorität als Position in diskursiven Ordnungen
  • Legitimitätsglaube und Gewalt
Quellen aus der Folge:
  • Eschenburg, Theodor. Über Autorität. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1976
  • Horkheimer, Max, Hrsg. Studien über Autorität und Familie. Schriften des Instituts für Sozialfoschung., Fünfter Band. Lüneburg: Dietrich zu Klampen Verlag, [1936] 1987
  • Fromm, Erich. Die Furcht vor der Freiheit. dtv 59048. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, [1941] 2000
  • Milgram, Stanley. Das Milgram-Experiment: zur Gehorsamsbereitschaft gegenüber Autorität. Übersetzt von Roland Fleissner. Rororo 17479. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, [1974] 1997
  • Neill, Alexander Sutherland. Theorie und Praxis der antiautoritären Erziehung: das Beispiel Summerhill. 1098. - 1101. Tsd. 6707. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1969.
  • Weber, Max. Herrschaft. Herausgegeben von Edith Hanke und Thomas Kroll. Max Weber Gesamtausgabe. Band 22 Wirtschaft und Gesellschaft. 22-4. Tübingen: Mohr Siebeck, 2005.
  • Bourdieu, Pierre. "Die verborgenen Mechanismen der Macht enthüllen". In Die verborgenen Mechanismen der Macht: Schriften zu Politik & Kultur 1, 81–86. Hamburg: VSA, 1992