Fast alle Deutschen nutzen das Internet. Digital mit Behörden kommunizieren können sie dagegen kaum. Das liegt am strengen Datenschutz und an einem weiteren speziellen Problem, das andere Länder nicht lösen müssen.

Deutschland hinkt den meisten EU-Staaten in Sachen digitale Behördengänge deutlich hinterher. Die größte digitale Herausforderung der Bundesrepublik sei, die Online-Interaktion zwischen Behörden und Öffentlichkeit zu verbessern. Zu diesem Ergebnis kommen die Verfasser des "The Digital Economy and Society Index (Desi)" der EU-Kommission. Insgesamt bewegt sich Deutschland jedoch im oberen Mittelfeld auf Platz 12 der 28 Mitgliedsstaaten.

43 Prozent der Deutschen, also nicht einmal jeder Zweite, benutzen Formen des E-Governments. Im EU-Schnitt sind es 64 Prozent. Damit landet Deutschland bei diesem Punkt auf Platz 26 der 28 EU-Staaten. Für den Index im Bereich "Digitale Öffentliche Dienste" berücksichtigen die Autoren allerdings auch E-Health-Angebote wie elektronische Verschreibungen und E-Gesundheitsdienste. E-Health-Dienste werden dem Index zufolge hierzulande lediglich von 7 Prozent der Menschen genutzt.

IT-Lösungen als Insellösungen

Ein Problem in Deutschland ist die kommunale Verwaltungsstruktur in Deutschland. "80 Prozent der Bürgerdienstleitungen in Deutschland werden von den Kommunen erbracht", sagt Norbert Kersting, Professor für Kommunal- und Regionalpolitik an der Universität Münster. IT-Lösungen in dem Bereich wären in der Regel Insellösungen. Es mangele an Austausch über den Erfolg und Misserfolg einzelner Ansätze.

"Wir finden zunehmend Insellösungen, wo es in der einen oder anderen Stadt schon relativ gut funktioniert. Allerdings lernt man nicht zwischen den Gemeinden und den Bundesländern."
Norbert Kersting, Professor für Kommunal- und Regionalpolitik an der Uni Münster

Kerstings Ideal ist, dass Dienstleistungen mit drei Klicks abgeschlossen werden und dass pro Antrag nur einmal eine Dateneingabe erforderlich ist. Das nennt sich das Once-only-Prinzip. Letztlich sei eine umfassende Digitalstrategie bei den Ämterdienstleistungen eine Bundesaufgabe - jedenfalls die Finanzierung, sagt Norbert Kersting.

Klamme Kommunen

Die Kommunen befänden sich noch immer in einer langfristigen Finanzkrise. Bundesbürger nutzen Online-Dienste demnach deutlich häufiger als viele andere Europäer. Hier landet Deutschland auf Platz 9. Nur fünf Prozent der Deutschen seien noch nie online gewesen. Die Fähigkeiten im Umgang mit dem Internet seien überdurchschnittlich. Gut zwei Drittel hätten 2017 mindestens grundlegende Digital-Kompetenzen gehabt.

"Die Esten hatten relativ schnell einen digitalen Personalausweis und haben dann versucht darauf aufbauen unterschiedliche Dienstleistungen zu finden."
Norbert Kersting, Professor für Kommunal- und Regionalpolitik an der Uni Münster

Estland gilt europaweit - vielleicht sogar weltweit - als Vorreiter in Sachen E-Governance. Online-Wahlen, digitaler Personalausweis und massenhafte technische Verarbeitung von Gesundheitsdaten sind die Stichworte.

Verbesserung bis 2022

In Deutschland wurde 2017 das Onlinezugangsgesetz verabschiedet. Es soll dafür sorgen, dass Bürger und Unternehmen ihre Anliegen bei der Verwaltung bis spätestens 2022 online erledigen können. Norbert Kersting weist darauf hin, dass in Deutschland Vertrauen und Datensicherheit aus guten Gründen eine größere Rolle spielen als beispielsweise in Estland. Beim Datenschutz sei man hierzulande allerdings übervorsichtig.

"Wir sind meiner Meinung nach etwas übervorsichtig - gerade in Bezug auf Datenschutz."
Norbert Kersting, Professor für Kommunal- und Regionalpolitik an der Uni Münster
Shownotes
Kontakt zu Behörden
Probleme beim E-Government: Warum wir weiter zum Amt müssen
vom 13. Juni 2019
Moderatorin: 
Diane Hielscher
Gesprächspartner: 
Norbert Kersting, Professor für Kommunal- und Regionalpolitik an der Universität Münster