Erik Marquardt ist für die Grünen neu ins EU-Parlament eingezogen. Schon die ersten drei Tage waren für den 31-Jährigen so aufregend wie ernüchternd. Katharina Kühn hat ihn in Straßburg begleitet.
Als Erik Marquardt das erste Mal ins EU-Parlament in Straßburg kommt, sagt er: "Sieht alles sehr riesig aus, muss man sich erst einmal orientieren, glaub ich."
Der 31-Jährige wurde am 26. Mai 2019 für die Grünen ins Europäische Parlament gewählt - zusammen mit 750 anderen Abgeordneten. Seine Themen sind Flucht und Migration. Sein Vorsatz ist es, Politik transparenter und zugänglicher zu machen, wie er sagt.
Viel Orga-Kram zu Anfang
An seinem ersten Tag muss Erik Marquardt erst einmal sein Büro finden. Zwei Mitarbeiterinnen helfen ihm dabei. Dort angekommen ist Erik Marquardt nicht unzufrieden - er hat sogar Blick auf den Fluss Ill.
"Stark! Büro mit Namensschild - und sogar mit Wasserblick."
Das Erste, was Erik Marquardt erledigen muss, hat weniger mit Politik als mit Orga zu tun. Unter anderem lässt er sich auf die Warteliste für Fahrräder setzen, denn andere Abgeordnete waren schneller bei der Anmeldung. Theoretisch stünde ihm ein Fahrerservice des Parlaments zu - den will der grüne Abgeordnete aber nicht nutzen. Weitere To Dos für Tag eins lauten:
- Schreibtische aufstellen
- Drucker installieren
- Mailfach abarbeiten
- Fraktionssitzung der Grünen besuchen
Erik Markquardt lernt schon die erste Vokabel: Fraktionssitzung nennen in Straßburg alle kurz "Frasi". Und da geht er hin. Bevor morgen - an Tag zwei - dann endlich die erste konstituierende Sitzung des Parlaments ansteht.
Begleitet von der Europahymne beginnt die erste Sitzung zwar feierlich - Erik Marquardt bekommt aber sofort einen Eindruck davon, inwieweit europäische Streitigkeiten hier im Parlament aufs Tableau gebracht werden. Brexiteers drehen sich aus Protest mit dem Rücken zum Präsidium, als die Europa-Hymne läuft, katalanische Abgeordnete demonstrieren in gelben T-Shirts für ihre Unabhängigkeit. Und über allem schwebt die Diskussion um die Präsidentschaft der Europäischen Kommission.
Uneinigkeit um die Spitze der EU-Kommission
Die Chefs der EU-Mitgliedsstaaten wollen darüber verhandeln, wer an die Spitze der EU-Kommission kommt - und wer im Gegenzug das Parlament leiten darf. Erik Marquardt ist in seiner Haltung klar:
"Wir werden nicht einfach die Person wählen, die in irgendwelchen Hinterzimmer-Deals rauskommt."
An diesem Nachmittag kommt die Eilentscheidung, dass Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen als Kommissionschefin vorgeschlagen wird. Präsident des Europäischen Parlaments soll zuerst ein Sozialdemokrat werden, dann - nach einer Amtszeit von zweieinhalb Jahren - soll es Manfred Weber werden, der eigentliche Spitzenkandidat der Konservativen für den Kommissionsvorsitz.
Erik sagt die anderen Termine ab und geht in die nächste Fraktionssitzung, die bis in den Abend dauert.
Enttäuschung an Tag drei
Am dritten Tag geht es wieder ins EU-Parlament - dieses Mal wird der Sozialdemokrat David Sassoli zum Parlamentspräsidenten gewählt - allerdings erst im zweiten Wahlgang. Für Erik Marquardt ist dieser Tag enttäuschend - auch wenn es, wie er betont, eine demokratische Wahl war.
"Wenn man sieht, wie zum Beispiel die Liberalen und die Sozialdemokraten Zettel bekommen, wo drauf steht, wen sie wählen sollten, fragt man sich schon: muss das so sein?"
Nach den ersten drei Tagen in Straßburg hat der 31-jährige EU-Parlamentarier schon einen guten Eindruck davon, was ihn in den nächsten vier Jahren erwarten wird. Zur Aufregung, die jeder Neuanfang hat, mischt sich bei Erik Marquardt schon erste Ernüchterung. Aber er behält seine Zuversicht, wenn er sagt, seine Fraktion sei "keine Selbsthilfegruppe, die sich über Emotionen austauscht, sondern wir wollen schauen, wie wir mit den Aufgaben, die wir gerade haben, gut umgehen können."