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Dachdecker Jens-Uwe Thormählen arbeitet jeden Tag in der prallen Sonne und merkt, wie der Klimawandel seinen Job gefährlicher macht. Griechenland verbietet bereits Außeneinsätze bei Extremhitze. Sollten wir in Deutschland in solchen Fällen auch Siesta machen?

"Wenn du ein Ei drauflegst, kannst du ein Spiegelei drauf machen." Was wie ein Witz klingt, ist für Jens-Uwe Thormählen Arbeitsalltag. Er ist Dachdeckermeister mit eigenem Betrieb in Norddeutschland. Im Sommer, erzählt er, steigt die Temperatur auf Dächern schnell über 35 Grad. Das passiere besonders auf Metalloberflächen wie Kupfer oder Zink. Hinzu komme die Wärme, die vom Dach ausgeht. "Da wirst du von oben und unten getoastet", sagt er.

Klimawandel hat Auswirkungen auf Arbeitswelt

An extrem heißen Tagen, berichtet Jens-Uwe Thormählen, würde sein Team morgens früher beginnen und unter Umständen um 14 Uhr Schluss machen. Ansonsten versorgt er seine Leute mit Sonnenschutz, Wasser und Wasserbottichen. "Die stellen wir aufs Dach und dann kann man da eben mal reinkriechen." Hitzeschläge gehören bei seinen Mitarbeitern im Sommer jedoch dazu, erzählt er.

"Den Hitzeschlag kriegst du bei der Arbeit auf dem Dach nicht mit. Irgendwann wird dir schummrig und am nächsten Tag wachst du mit Schüttelfrost auf."
Jens-Uwe Thormählen, Dachdeckermeister

Doch nicht nur Hitze macht das Arbeiten draußen unberechenbar. Jens-Uwe Thormählen berichtet von plötzlichen Unwettern: "Du drehst dich einmal um und plötzlich ist da diese schwarze Wolke, die Hunderte Liter Wasser über dir auskippt. Wenn du dann gerade ein Dach aufgerissen hast, musst du blitzschnell reagieren."

Gesetzliche Hitzefreiregelung fehlen

In Griechenland hat das Arbeitsministerium für solche Fälle reagiert und eine Regelung für Arbeitseinsätze unter extremen Wetterbedingungen geschaffen: Bei Temperaturen über 40 Grad darf zwischen 12 und 17 Uhr nicht im Freien gearbeitet werden. Eine solche Regelung fände Arbeitsmedizin Katharina Larisch auch für Deutschland sinnvoll, allerdings nicht zur Mittagszeit. "Das Hitzemaximum liegt bei uns eher zwischen 15 und 16 Uhr. Eine Pause in diesem Zeitraum wäre medizinisch sinnvoller als zur klassischen Mittagszeit."

"Der Klimawandel ist da, und er verändert die Arbeitswelt. Jetzt müssen wir sie anpassen, damit niemand durch seinen Beruf krank wird.“
Katharina Larisch, Arbeitsmedizinerin

Tatsächlich gibt es in Deutschland keine Regelungen, um Menschen, die draußen arbeiten, vor Auswirkungen bei Extremwetter zu schützen, sagt die Arbeitsmedizin. Das könnte sich aber in Zukunft ändern. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales sei dabei, Maßnahmen zu entwickeln.

Die sind auch nötig, sagt Katharina Larisch, angesichts dessen, dass Neuerkrankungen bei dem sogenannten weißen Hautkrebs zu nehmen. Auch Folgen von Hitze dürften nicht unterschätzt werden. Auf Dauer erhöhe sie das Risiko eines Herzinfarkts oder Schlaganfalls deutlich. Auch Hitzeerschöpfung oder Hitzschlag könnten zum lebensbedrohlichen Notfall werden, warnt die Arbeitsmedizinerin.

Ein besserer Arbeitsschutz für Draußeneinsätze sollte laut Arbeitsmedizinerin Katharina Larisch beinhalten:

• verpflichtende Wasserspender und UV-Schutz-Spender
• mehr Einsatz von Kühlwesten
• organisatorische Lösungen wie Arbeiten im Winter oder die Vorfertigung in Hallen
• digitale Monitoringsysteme, die die Körpertemperatur oder Flüssigkeitsverluste messen

Arbeitsschutz als gesellschaftliche Aufgabe

Katharina Larisch betont, dass der Arbeitsschutz keine rein individuelle oder betriebliche, sondern eine gesamtgesellschaftliche Angelegenheit ist. "Wenn es heiß ist, kann nicht jeder morgens um fünf oder sechs Uhr anfangen zu arbeiten, denn die Kita ist da noch nicht offen."

Jens-Uwe Thormählen will trotz der Herausforderungen keine gesetzlichen Regelungen für seine Branche. Seinen Beruf will er in jedem Fall weitermachen: "Das ist ein Beruf mit Leidenschaft. Du siehst am Ende des Tages, was du geschafft hast. Und wenn du zehn Jahre später an dem Haus vorbeifährst, kannst du deiner Familie sagen: Das habe ich damals gebaut."

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an unboxingnews@deutschlandradio.de

Shownotes
Extrem heiß, extrem nass
Wer schützt die, die draußen schuften?
vom 23. Juli 2025
Moderation: 
Rahel Klein
Gesprächspartnerin: 
Katharina Larisch, Fachärztin für Arbeitsmedizin
Gesprächspartner: 
Jens-Uwe Thormählen, Dachdeckermeister mit eigenem Betrieb