Das Bayrische Staatsministerium für Digitales wirbt um IT-Experten und Entwickler, die ihren Job im Silicon Valley verloren haben. Deutschland ist aber als Standort möglicherweise nicht attraktiv genug.

Kürzlich wurden zehntausende Mitarbeitenden von Digital- und IT-Marktführern wie Google, Microsoft, Meta und Amazon entlassen. Unter ihnen befinden sich auch IT-Fachkräfte, Entwickler und Entwicklerinnen. Hierzulande ist Nachfrage nach solchen Fachkräften groß, aber es gibt nicht genügend, um den Bedarf abzudecken.

Nicht nur die bayrische Staatsministerin für Digitales, Judith Gerlach, ist auf die Idee gekommen, mit Jobs in Deutschland aktiv um diese Menschen zu werben. Sie hat auf LinkedIn eine Einladung an IT-Expert:innen aus den USA ausgesprochen. Auch ein Tochterunternehmen von Volkswagen, die Lufthansa und das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz haben unabhängig voneinander kommuniziert, dass sie Jobs für solche Fachkräfte anbieten.

Im Unterschied zu den anderen Arbeitgebenden wendet sich das Bundesministerium nicht ausschließlich an die entlassenen Fachkräfte aus dem Silicon Valley, sondern allgemein an qualifizierte, englischsprachige Menschen.

Das Wirtschaftsministerium argumentiert hier eher nach dem Silicon-Valley-Motto: International, innovativ, – als ob Deutschland das eben auch könnte.
Konstantin Köhler, Deutschlandfunk-Nova-Reporter

Dass Staatsministerium für Digitales wirbt beispielsweise damit, dass Deutschland innovativ und international sei, dass die Künstliche Intelligenz eine große Rolle spiele und dass es eine große politische Unterstützung für die digitalisierte Industrie gebe, sagt unser Reporter Konstantin Köhler. Ob dieser Aufruf wirklich bei den Adressaten ankomme, sei aber schwer einzuschätzen.

Deutschland aus US-Sicht: Wenig innovativ und bürokratisch

Ein Blick auf Blogs und Websites aus den USA lege nahe, dass Deutschland und die Arbeitsbedingungen hierzulande dort anders wahrgenommen werden, schätzt unser Reporter ein. Neben der Deutschen, die nicht so zugänglich erscheinen, gilt das Land anscheinend nicht als nicht so innovativ, wie es von den Arbeitgebenden angepriesen wird. Auch die Sprache und die Bürokratie werden anscheinend als mögliche Hürden wahrgenommen.

"Wenn man mal in die US-amerikanischen Blogs und Webseiten reinschaut, heißt es öfter mal: Die Deutschen sind tendenziell unfreundlich, hier ist es irgendwie altbacken und piefig. Die deutsche Sprache ist eine große Hürde, die Bürokratie auch."
Konstantin Köhler, Deutschlandfunk-Nova-Reporter

Oft werden die Arbeitsbedingungen in deutschen Unternehmen und Institutionen in den USA aber wohl als vorteilhaft wahrgenommen. Beispiele dafür sind:

  • Arbeitszeiten von durchschnittlich 40 Stunden pro Woche
  • ein gewisser Kündigungsschutz
  • rund 30 Tage im Urlaub im Jahr
  • bezahlbarer Wohnraum
  • das gute Gesundheitssystem

Was Urlaubsansprüche in US-Unternehmen angeht, sei es häufig so, dass der Urlaub verfalle, weil es nicht üblich ist, viel freizunehmen. In der Arbeitswelt der USA mache es üblicherweise einen schlechten Eindruck, zwei Wochen am Stück nicht zu arbeiten, erläutert Konstantin Köhler.

"Erstens gibt es in den USA selbst viele IT-Jobs, die nicht im Silicon Valley sind. Und zweitens, die Sprachhürde in Deutschland ist schon sehr groß."
Konstantin Köhler, Deutschlandfunk-Nova-Reporter

Ob der Aufruf aus Deutschland Erfolg verspricht, bleibt fraglich. Denn auch in den USA gibt es viele IT-Jobs außerhalb des Silicon Valleys. Ein Umzug in den USA ist deutlich einfacher und auch die Sprachhürde, die eine Beschäftigung in Deutschland automatisch mit sich bringen würde, fällt weg, sagt unser Reporter Konstantin Köhler.

Shownotes
Fachkräftemangel
Deutschland wirbt um IT-Experten aus den USA
vom 30. Januar 2023
Moderation: 
Markus Dichmann
Gesprächspartner: 
Konstantin Köhler, Deutschlandfunk Nova