Für viele Menschen beginnt der Tag mit einem Kaffee. Er soll uns dabei helfen, wach zu werden, in den Gang zu kommen und produktiv zu werden. Neurowissenschaftler Henning Beck erklärt, wie sich der Kaffee auf unser Gehirn auswirkt.

Wie immer ist es die Menge, die den Unterschied macht. Und natürlich ist es auch eine sehr individuelle Sache, wie viel Kaffee wir mögen und vertragen. Der eine wird schon nach dem zweiten oder dritten Kaffee leicht zittrig. Eine andere muss nachmittags um vier Uhr aufhören, Kaffee zu trinken, damit sie nachts gut einschlafen kann. Und für eine dritte Person ist ein Kaffee zu jeder Tages- und Nachtzeit eine willkommene Leckerei, die die Laune deutlich hebt, weil sie einer kleinen Belohnung gleichkommt.

"Man hat festgestellt, dass die Gehirnareale, die für uns wichtig sind durch Kaffee gar nicht besser verbunden, sondern voneinander abgekoppelt werden."
Henning Beck, Neurowissenschaftler
Externer Inhalt

Hier geht es zu einem externen Inhalt eines Anbieters wie Twitter, Facebook, Instagram o.ä. Wenn Ihr diesen Inhalt ladet, werden personenbezogene Daten an diese Plattform und eventuell weitere Dritte übertragen. Mehr Informationen findet Ihr in unseren  Datenschutzbestimmungen.

Kaffee wird nachgesagt, dass er stimulierend wirkt, uns das Gefühl von Wachheit gibt und dabei hilft, uns zu fokussieren. Die Annahme lag daher bisher nahe, dass er möglicherweise bestimmte Bereiche im Gehirn besser verknüpft und den Kommunikationsfluss dadurch beschleunigt.

Doch eine aktuelle Studie zeigt, dass Kaffee zwei für uns besonders wichtige Gehirnareale sogar voneinander abkoppelt, statt sie besser miteinander zu verbinden.

Dabei handelt es sich zum einen um unser Kontrollnetzwerk im Bereich der Stirn, das zum Beispiel dafür da ist, dass wir anderen aufmerksam zuhören können. Zum anderen geht es um das Grundeinstellungsnetzwerk im hinteren Teil des Gehirns, das für unsere Ruhezustände verantwortlich ist.

Wandernde, umherschweifende Gedanken können Kreativität befördern

Gerade das Grundeinstellungsnetzwerk ist essenziell für unsere Kreativität, weil es dafür sorgt, dass unsere Gedanken umherwandern, wenn wir uns im Ruhezustand befinden. Wir stellen zufällige Verknüpfungen zwischen Gedanken her. Nehmen Zusammenhänge wahr und begreifen unsere Umwelt dadurch besser.

Wenn unser Kaffeegenuss dafür sorgt, dass Grundeinstellungs- und Kontrollnetzwerk voneinander abgekoppelt werden, dann kann das dazu führen, dass wir motorisch aktiver, fokussierter und konzentrierter sind und somit auch weniger mit den Gedanken abschweifen beziehungsweise unseren Tagträumen nachhängen.

"Dieses Grundeinstellungsnetzwerk sorgt eigentlich dafür, dass du in Ruhe die Gedanken schweifen lässt, dass du hin und her springst, dir überlegst, was wäre, wenn. Weil es unsere Grundeinstellung ist, hin und herzuwandern."
Henning Beck, Neurowissenschaftler

Die Ergebnisse, die in der Fachzeitschrift Frontiers in Behavioral Neuroscience veröffentlicht wurden, deuten darauf hin, dass bestimmte Veränderungen der Gehirnaktivität tatsächlich nur auf Kaffee zurückzuführen sind, während andere auch durch Koffein hervorgerufen werden können. Koffein gibt es in Pulverform, als Tabletten oder beispielsweise auch in Energydrinks.

Die Scans ergaben, dass beide Gruppen – diejenigen, die Koffein konsumiert, und diejenigen, die Kaffee getrunken hatten –, danach eine geringere Aktivität in einem Teil des Gehirns aufwiesen, der Menschen in einen Ruhezustand versetzt: dem besagten Grundeinstellungsnetzwerk.

Aktivität in Teilen des Gehirns durch Kaffee erhöht

Darauf deutet auch hin, dass diejenigen Menschen, die Koffein oder Kaffee konsumiert hatten, eher bereit waren, ihren Tag zu beginnen und sich mit anderen zu beschäftigen.

"Du zahlst für alles einen Preis: Wenn du irgendwas ins Gehirn hineinschüttest, damit du aufmerksamer und konzentrierter wirst, dann kannst du nicht so gut abschweifen und über den Tellerrand hinausschauen."
Henning Beck, Neurowissenschaftler

Die MRT-Scans zeigten jedoch auch, dass der Genuss von Kaffee die Aktivität in Teilen des Gehirns erhöht, die für das Kurzzeitgedächtnis, die Aufmerksamkeit und die Konzentration zuständig sind, während die alleinige Einnahme von Koffein dies nicht tat. Ein Indiz dafür, wieso wir uns nach einer Tasse Kaffee produktiver fühlen.

Die Forschenden stellten daher die Theorie auf, dass der Anblick, der Geruch oder der Geschmack von Kaffee unabhängig vom Koffeingehalt schon dazu beitragen kann, dass sich Menschen wacher fühlen.

  • Moderation: Rahel Klein
  • Gesprächspartner: Henning Beck, Neurowissenschaftler