Demnächst werden in Arztpraxen spezielle Internetrouter gegen neue getauscht. Die Krankenkassen kostet das bis zu 400 Millionen Euro – eine Ausgabe, die laut Chaos Computer Club überflüssig ist.

Es geht um 300 bis 400 Millionen Euro und rund 100 Tonnen Elektroschrott. Sowohl die hohen Kosten als auch der Müllhaufen könnten vermieden werden, sagt der Chaos Computer Club (CCC).

Die Ausgangssituation: Nicht alle, aber einige Prozesse in Arztpraxen laufen digital ab, zum Beispiel die Kommunikation mit den Krankenkassen. Dafür kommen in den Praxen spezielle Internetrouter zum Einsatz, sogenannte Konnektoren. Bereitgestellt werden diese von der Gematik, einem Unternehmen, das sich um die Digitalisierung im Gesundheitswesen kümmert und zu 51 Prozent dem Bundesgesundheitsministerium gehört.

Diese Konnektoren – in Deutschland sind rund 130.000 davon im Einsatz – sollen demnächst gegen neue ausgetauscht werden. Denn: In den Geräten laufen in den kommenden Monaten die Sicherheitszertifikate ab und sie benötigen neue.

Software-Update ist möglich

Der CCC sagt: Das ist kein Grund, die aktuellen Geräte gegen neue auszutauschen. Man könnte ein neues Sicherheitszertifikat einfach per Software-Update einspielen und die aktuellen Geräte weiter betreiben.

Die Gematik bestätigt, dass das prinzipiell möglich ist. Das Problem: Mindestens einer der Hardware-Hersteller lässt diese Vorgehensweise nicht zu. Über die konkreten Gründe kann nur spekuliert werden – womöglich will sich der Hersteller ein gutes Geschäft nicht entgehen lassen. Ein neuer Konnektor kostet 2300 Euro.

"Hier will sich ein Kartell durch strategische Inkompetenz am deutschen Gesundheitssystem eine goldene Nase verdienen."
Dirk Engling, Sprecher des CCC

Ein weiterer Grund, warum die Geräte bald gegen neue ausgetauscht werden sollen, lautet: In drei Jahren können die jetzt noch gültigen sogenannten Sicherheitsschlüssel nicht mehr genutzt werden. Die Konnektoren müssten dann erneut getauscht oder per Software aktualisiert werden. Die Gematik sagt sinngemäß: Dann doch lieber jetzt einmal tauschen und dann so lange Ruhe haben, bis sowieso eine komplett neue Technik eingeführt wird und die Konnektoren komplett überflüssig werden.

Würden die Konnektoren jetzt nicht getauscht, sondern nur aktualisiert, hätte man in drei Jahren denselben Aufwand noch einmal, den man sich durch einen Tausch in diesem Jahr sparen könne.

Aber auch dieser Aussage widerspricht der CCC: Neue Sicherheitsschlüssel könnten ebenfalls implementiert werden, ohne die alten gegen neue Geräte auszutauschen.

Krankenkassen zahlen

In den Aussagen der Hardware-Hersteller sieht der CCC ein strukturelles Problem. Der CCC-Sprecher Dirk Engling sagt: "Wenn die beauftragten Hersteller von Konnektoren selbst mit so trivialen Aufgaben wie einer Erneuerung der Zertifikate überfordert sind, drängt sich doch die Frage auf, ob nicht die Vergabekriterien und Verträge der Gematik verschärft und kompetentere Wettbewerber gefunden werden müssen“, so Engling.

Kurz gesagt ist der CCC der Meinung, dass es technisch möglich ist, Konnektoren viele Jahre sicher zu betreiben, wenn das denn so gewollt und strukturell angelegt sei. Wenn die aktuellen Hersteller der Geräte das nicht zulassen, dann müsse die Gematik eben auf andere Hersteller setzen. Hartmut Gieselmann vom CT-Magazin ist ähnlicher Meinung.

Für den Tausch der bald anstehenden alten gegen neue Geräte zahlen die Krankenkassen, also am Ende die Beitragszahlerinnen und -zahler.

Shownotes
Gesundheitswesen
CCC: 400 Millionen Euro teurer Hardware-Tausch in Arztpraxen unnötig
vom 17. Oktober 2022
Moderator: 
Till Haase
Gesprächspartnerin: 
Martina Schulte, Deutschlandfunk-Nova-Reporterin