Steueroasen wie Panama oder die Cayman Islands sind recht weit entfernte Orte. Andere liegen direkt um die Ecke: Monheim bei Köln oder Zossen bei Berlin (unser Bild). Marcus und Anca schauen in dieser Folge auf Gewerbesteueroasen mitten in Deutschland.
Norderfriedrichskoog ist ein Ort mit 48 Einwohnern. Schafe, Felder, ein Deich. Und doch war Norderfriedrichskoog in Nordfriesland lange für etwas anderes bekannt: nämlich als Gewerbesteueroase.
Das kleine Örtchen war bis 2004 einer der Orte in Deutschland, an denen Unternehmen null Prozent Gewerbesteuer zahlen mussten – bis in Deutschland eine Mindesthöhe für diese kommunale Steuer eingeführt wurde.
"Bevor der Mindestsatz von 7 Prozent eingeführt wurde, gab es absurde Situationen mit Gewerbesteueroasen: zum Beispiel Norderfriedrichskoog direkt am Meer, wo die Deutsche Bank zu Vorstandssitzungen in Bauernhöfen gefahren ist."
Durch den Mindeststeuersatz sollten Oasen wie solche am Deich der Vergangenheit angehören. "Solche Extreme gibt es durch den Mindeststeuersatz nicht mehr und das Problem ist dadurch deutlich kleiner geworden", sagt Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit.
Doch es gibt sie immer noch.
Blühende Oasen auch nach 2004
Das System der Gewerbesteueroasen existiert weiter: In Orten wie Zossen bei Berlin, Monheim bei Köln oder Grünwald bei München, aber auch in anderen Bundesländern. All diese Orte zeichnen sich dadurch aus, dass sie geringe sogenannte Hebesätze für die Gewerbesteuer festlegen – es fällt dort also eine besonders niedrige Gewerbesteuer an. Das ist zwar nicht illegal, aber doch Gegenstand politischer Debatten.

Firmen, die ihren formalen Sitz an diese Gewerbesteueroasen verlegen, machen sich dabei ein Prinzip zu Nutze: Die Gewerbesteuer fällt eigentlich dort an, wo der Hauptteil der gewerblichen Tätigkeit stattfindet. Ein produzierendes Unternehmen kann also nicht ohne weiteres so tun, als würde es eigentlich in Monheim oder Zossen produzieren.
"Eine Gesellschaft, die in Berlin Immobilien vermietet, nutzt eine Gesellschaft, die in der Steueroase Zossen oder Schönefeld sitzt, um die Immobilien offiziell zu verwalten."
Doch besonders sogenannte Verwaltungsgesellschaften, deren Hauptaufgabe die Verwaltung und Organisation von Vermögenswerten oder Immobilien ist, können sich in Kommunen mit geringen Hebesätzen niederlassen. "Eine Immobiliengesellschaft, die in Berlin Immobilien vermietet, nutzt dann eine Gesellschaft, die in der Steueroase Zossen oder Schönefeld direkt vor den Toren von Berlin sitzt, um diese Immobilien offiziell zu verwalten", erklärt Christoph Trautvetter. "Und in diese Verwaltungsgesellschaft fließen dann die Mieteinnahmen und die Gewinne."
Neue Regeln im Koalitionsvertrag
Aktuell liegt die Mindesthöhe der Gewerbesteuer bei 7 Prozent. Diesen Satz nutz zum Beispiel die thüringische Gemeinde Langenwolschendorf (830 Einwohner). Andere Orte – wie das thüringische Erfurt – haben eine Gewerbesteuer von über 15 Prozent.
Damit dieser Steuerwettbewerb nicht zu riesigen Löchern in den öffentlichen Kassen führt, sieht die neue Bundesregierung im Koalitionsvertrag vor, den Mindestsatz der Gewerbesteuer anzuheben.

Ob damit aber Gewerbesteueroasen in Deutschland endgültig der Vergangenheit angehören, darf bezweifelt werden. Denn die Ersparnis zwischen der neuen Mindeststeuer (wohl etwa 10 Prozent) und den Hochsteuerkommunen (15 bis 16 Prozent), dürfte auch weiter legale und illegale Steuerkonstrukte anlocken.
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