Wenn der Frühling beginnt, empfinden viele von uns ein Stimmungshoch. Aber nicht nur unsere Emotionen sind an Jahreszeiten gekoppelt: Eine kanadische Studie hat gezeigt, dass auch unsere Gehirnaktivität saisonal beeinflusst wird.
Wenn wir gestresst sind, können wir nicht so gut denken, sagt der Neurowissenschaftler Henning Beck. Das heißt, Prüfungsstress und Deadlines sind wohl nicht förderlich, um die bestmögliche Denkleistung abzurufen. Daneben gibt es aber auch andere Umstände, die unsere Gehirnaktivität fördern können, erklärt der Neurowissenschaftler.
"Du denkst immer schlecht, wenn du viel Stress hast: wenn du viel zu tun hast oder bei Prüfungsstress. Dann sollen wir eigentlich gut denken, aber dann wird es eigentlich besonders schwierig."
Dass unsere Denkleistung sich durch das Jahr hindurch verändert, kann zum einen organische Ursachen haben, sagt Henning Beck. In einer großen Studie der Universität Toronto werteten Forschende Daten von rund 3.000 Teilnehmende aus, die ein Durchschnittsalter von über 70 Jahren hatten.
Organische Ursachen
Dabei stellten sie fest, dass sich die Zusammensetzung bestimmter Proteine im Lauf der Jahreszeiten in der Gehirnflüssigkeit verändert. Das sind diejenigen Proteine, die einen Hinweis darauf geben, dass eine Alzheimer- oder Demenzerkrankung vorliegt. Für die Forschenden war diese Veränderung der ausschlagende Hinweis darauf, dass unsere Denkleistung im Sommer und Frühherbst besonders gut ist.
Natürliches Tageslicht und Tageslichtlampen können förderlich fürs Denken sein
Im Vergleich zu den dunklen Wintermonaten scheinen auch die Lichtverhältnisse im Sommer und im Herbst eine Rolle für die bessere Gehirnaktivität zu spielen. Besonders bei Aufgaben, die unsere ausdauernde Aufmerksamkeit beanspruchen oder unser Arbeitsgedächnis fordern, wurde eine starke saisonale Schwankung in einer Untersuchung der Universität Lüttich festgestellt. Zur Sommersonnenwende erreichte die Gehirnaktivität ihr Maximum bei Aufmerksamkeitsaufgaben. Bei Gedächtnisaufgaben wiederum zur Tag-und-Nacht-Gleiche im Herbst.
Henning Beck empfiehlt daher auch, für ausreichendes Licht zu sorgen, wenn wir unsere Denkleistung fördern wollen. Das kann entweder Tageslicht sein oder auch eine Tageslichtlampe, sagt er.
"Natürlich kommt auch hinzu, im Sommer ist es heller als im Winter und wir wissen, das Licht beeinflusst auch die Art und Weise, wie wir denken. Das fördert auch die geistige Wachheit."
Der Encoding Effect - die Zeit nach dem Sommer als produktive Zeit
Während wir im Sommer - speziell während eines Sommerurlaubs - die Zeit nutzen, um uns zu erholen und uns möglicherweise auch mal gönnen, weniger produktiv zu sein, gewöhnen wir uns daran, den Herbst als Zeit zu definieren, in der wir wieder mehr Gedächtnisleistung erbringen. Das nennt man den Encoding Effect, sagt der Neurowissenschaftler. Also, ein weitere Faktor, der dafür verantwortlich sein kann, dass unsere Gedächtnisaktivität im Frühherbst zunimmt.
"Das heißt, im Laufe eines Lebens gewöhnst du dir an zu sagen: 'Ah, das ist jetzt so eine produktive Zeit.' Und das ist etwas, was man in der Wissenschaft Enoding Effect nennt. Das ist quasi so ein Abspeicher-Effekt."