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Incels hassen Frauen im Internet. Eine neue Studie zeigt, wie verbreitet solche Gruppierungen im deutschen Raum sind. Welche Gefahren gehen von diesen Männern aus und wie schätzt der Staat die Bedrohungslage ein?

"Wenn ich euch nicht haben kann, Mädels, dann werde ich euch zerstören" – solche Sätze hört und liest man im Netz von sogenannten Incels. Incels bedeutet Involuntary celibates und meint Männer, die unfreiwillig enthaltsam leben und keinen Sex haben. Sie sind davon überzeugt, dass Männer in der heutigen Gesellschaft benachteiligt werden. Und Schuld daran sind Frauen, der Feminismus die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau. Das ist grob zusammengefasst das Weltbild verschiedener frauenfeindlicher Gruppierungen, die man in der Forschung unter dem Begriff "Manosphere" zusammenfasst.

Forschende der Freien Universität Berlin und des Instituts for Strategic Dialogue haben jetzt eine Studie vorgelegt, die zeigt, wie weit rechte Online-Netzwerke in Deutschland verbreitet sind – auf Youtube, TikTok, Instagram, Websites, Podcast-Plattformen und Blogs. Die Forschenden sagen, diese frauenfeindlichen Gruppen sind Räume für Radikalisierung und eine Bedrohung für eine offene Gesellschaft.

Incels – ein zutiefst frauenfeindliches Bild

Veronika Kracher ist Autorin und Expertin für belastende Männer im Internet und hat sich mit Frauenhass und Incels beschäftigt. Incels, sagt sie, leiden oft unter psychischen Problemen und sehen sich als unattraktiv, weshalb sie glauben, keine Liebe oder Freundschaft erfahren zu können. Dies könne zu Depressionen und Suizidalität führen. Gleichzeitig projizieren sie ihre Unsicherheiten und ihr Scheitern an Männlichkeitsidealen auf Frauen und machen diese dafür verantwortlich, was teils in Hass und Gewalt umschlage.

"Frauen sind oberflächliche Schlampen, den es eigentlich nur um Status, Geld und Sex geht und die dahinter auch keine eigene Persönlichkeit haben. Das ist ein grundlegend frauenfeindliches Bild."
Veronika Kracher, Autorin und Expertin für belastende Männer im Internet

Incels sind der Meinung, dass unattraktive Männer schlimmer dran seien als verfolgte Juden oder versklavte Afroamerikaner. Zentral ist die Vorstellung der Hypergamie – das heißt, Frauen sind oberflächliche Wesen und Schlampen, die nur Männer mit Status oder Wohlstand begehren, so die Soziologin.

Auch der Feminismus gilt als Ursache aller Probleme. Durch die sexuelle Revolution könnten Frauen frei entscheiden, mit wem sie schlafen – und das seien laut Incels nur die obersten 20 Prozent der Männer, die Alpha-Männer. Dieses Weltbild entmenschliche Frauen und diene als Erklärung für das eigene Scheitern in einer vermeintlich ungerechten Gesellschaft.

Incel-Foren – ein trauriger Ort im Netz

Innerhalb der Szene herrsche eine extrem toxische Kultur. Solidarität oder Anerkennung sind kaum zu finden, da die Community stark von Zynismus, Hass und offen zur Schau gestellter Menschenfeindlichkeit geprägt sei. Incels verwenden häufig auch den Slogan "rope or cope" – aufhängen oder mit dem eigenen Leid klarkommen –, der mit Suizid kokettiert. Nutzer geben sich auch gegenseitig Tipps zum Selbstmord, so Veronika Krache. Die Community sei ein extrem düsterer und trauriger Ort im Netz,

Anstachelung zur Gewalt gegen Frauen

Incel-Foren schaffen eine Atmosphäre, die Gewalt fördert und Anschläge wahrscheinlicher macht. Gewalt gegen Frauen wird glorifiziert, Attentäter werden als Helden verehrt. Nutzer stacheln einander an, Hemmschwellen abzubauen – von Beleidigungen über digitale und verbale Gewalt bis hin zu körperlichen Übergriffen, Femiziden oder Terrorakten. Zwar radikalisiert sich nur ein kleiner Teil so weit, dass er Anschläge begeht, so die Soziologin, doch die Community verstärkt extreme Ansichten und Feindbilder.

"In Incel-Foren wird Gewalt gegen Frauen glorifiziert, Attentäter als Helden und Heilige verehrt und User stacheln sich auch gegenseitig dazu an, die eigene Hemmschwelle der Gewalt abzubauen."
Veronika Kracher, Autorin und Expertin für belastende Männer im Internet

In den letzten Jahren gab es mehrere Anschläge durch Incels. 2014 tötete ein 22-Jähriger in Kalifornien sechs Menschen aus Hass auf Frauen. 2018 starben in Toronto zehn Menschen, darunter acht Frauen, als ein 25-Jähriger mit seinem Auto in eine Menschenmenge fuhr – er sprach von einer "Incel-Rebellion". 2019 erschoss der Halle-Attentäter zwei Menschen, nachdem er vergeblich versucht hatte, eine Synagoge zu stürmen. Im Hintergrund lief ein Lied aus der Incel-Szene, er bezeichnete sich selbst als "unzufriedenen weißen Mann".

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Die Gefahr durch Incels lässt sich in verschiedene Bereiche unterteilen, so Marina Hackenbroch. Sie ist Mitarbeiterin des Bundeskriminalamtes und stellvertretende Bundesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter – eine der drei Polizeigewerkschaften in Deutschland. Zum einen besteht eine erhebliche Selbstgefährdung für Mitglieder dieser Online-Foren. Dort werden nicht nur gewaltverherrlichende Inhalte geteilt, sondern auch extrem deprimierende und psychisch belastende Beiträge. Zudem ist es die toxische Kultur, in der sich Mitglieder gegenseitig fertigmachen und teilweise bis in den Suizid treiben.

Neben der Selbstgefährdung bestehe auch die Gefahr, dass sich Einzelne so weit radikalisieren, dass sie tatsächlich Gewalt ausüben – insbesondere gegen Frauen. Auch werden in diesen Foren gezielte Online-Kampagnen gegen Frauen organisiert, etwa gegen Politikerinnen oder andere öffentliche Personen, um sie durch Drohungen zum Schweigen zu bringen.

Polizei schafft neues Lagebild

Die Gefahr ist real, auch wenn sie schwer messbar ist, meint Marina Hackenbroch. Bis November 2024 gab es in Deutschland keine genaue Erfassung von geschlechtsspezifischen Straftaten gegen Frauen und deren Motive. Die polizeiliche Kriminalstatistik erfasst nur bekannte Fälle, und es ist oft schwierig festzustellen, ob ein Täter ein Incel ist und aus dieser Ideologie heraus handelt. Ein neues BKA-Lagebild von November 2024 soll hier mehr Klarheit schaffen.

"Auch wenn wir die Möglichkeit hätten alles zu überwachen, könnten wir aufgrund der Masse der Menschen, die Dinge posten, nicht erkennen, wer es wirklich ernst meint."
Marina Hackenbroch, Bundekriminalamt

Die Polizei kann nicht alle Internetaktivitäten überwachen, weshalb viele Incel-Foren unzugänglich bleiben. Das erschwert es, potenzielle Gefahren frühzeitig zu erkennen, so die Kriminalbeamtin. Zudem wird dort massenhaft Gewalt verherrlicht – Gewalt und Vergewaltigungsfantasien, Fantasien von Anschlägen gegen Frauen oder generell gegen andere Menschen. Doch es ist oft unklar, wer tatsächlich zur Tat schreiten könnte. Die schiere Menge an Beiträgen macht es unmöglich, gezielt gegen einzelne potenzielle Täter vorzugehen.

Polizeibeamte brauchen mehr Sensibilisierung

Frauenfeindlichkeit als Tatmotiv muss Polizistinnen und Polizisten bewusster werden. Dies sollte bereits in der Ausbildung an Polizeihochschulen verankert und durch Fortbildungen vertieft werden. Derzeit geschieht das jedoch nicht flächendeckend, so Marina Hackenbroch. Um frauenfeindlich motivierte Straftaten besser zu erfassen, braucht es mehr Sensibilisierung. Während antisemitische Motive oft erkannt werden, fehlt dieses Bewusstsein bei Gewalt gegen Frauen noch häufig.

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Incels sind nur ein Teil in Gruppe mit frauenfeindlichen Haltung. Dazu zählen auch Pickup-Artists, also Männer, die anderen Männern Tipps, geben, wie sie bei Frauen besser ankommen, wie sie diese manipulieren und sexuell gefügig machen können. Oder sogenannte "Red Piller", die sich als "erwachte" Männer verstehen und erkannt haben, dass sie Opfer einer feministischen Welt sind.

Die Prävention gegen Incels und patriarchale Gewalt muss grundlegend ansetzen, meint Veronika Kracher. Patriarchales Anspruchsdenken – etwa der Glaube, ein Recht auf Sex zu haben – führt nicht nur bei Incels zu Gewalt, sondern zeigt sich auch bei häuslicher Gewalt und Femiziden. Daher braucht es feministische Erziehung, Politik und gesellschaftliche Aufklärung. Männer müssen lernen, dass Frauen eigenständige Subjekte mit eigenen Grenzen sind. Der Kampf gegen patriarchale Gewalt erfordert solidarisches Engagement aller Betroffenen.

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an Info@deutschlandfunknova.de

Shownotes
Incels
Jungfrau, männlich, frauenfeindlich
vom 27. Februar 2025
Moderation: 
Rahel Klein
Gesprächspartnerin: 
Marina Hackenbroch, Bund Deutscher Kriminalbeamter
Gesprächspartnerin: 
Veronika Kracher, Autorin und Expertin für belastende Männer im Internet