Hass im Netz und auf offener Straße, Morddrohungen und Verachtung: Hass richtet sich oft gegen unterdrückte Menschen. Die Journalistin und Autorin Şeyda Kurt hat sich mit der anderen Seite des Hasses beschäftigt: Nach "Radikale Zärtlichkeit" folgt nun ihr neues Buch "Hass – Von der Macht eines widerständigen Gefühls".
Hate Speech und Hass gegen Minderheiten sind durch das Netz noch sichtbarer geworden. Für Şeyda Kurt ist aber wichtig herauszustellen: Diese Menschen sind nicht nur Objekte von Hass, sondern auch Subjekte – nämlich dann, wenn sie aus dem Widerstand heraus diese Unterdrückungs- und Gewaltsysteme hassen.
"Hass fasziniert mich, weil er auf unterschiedliche Art und Weisen verpönt und tabuisiert ist. Dadurch werden aber auch produktive Formen des Hasses unsichtbar."
Die Journalistin und Autorin setzt sich in ihrem Buch mit dem Tabu Hass auseinander. Denn gerade in christlichen und westlichen Gesellschaften sei dieses Gefühl verpönt. Gerade solche Gefühle sind es aber, die Şeyda Kurt faszinieren: Politische Gefühle, die Menschen mobilisieren und am Ende Gerechtigkeit schaffen können.
Den Hass akzeptieren
Nur wenn wir den Hass als legitimes Gefühl anerkennen, können wir über ihn diskutieren und seine Ursprünge nachzeichnen, findet sie. Gerade weil er als hässlich gilt, sollten wir ihn nicht einfach verdrängen.
Es sei ähnlich wie mit Neid: Auf einer gesellschaftlich-politischen Ebene ist dieses Gefühl interessant, so die Autorin, denn dann geht es darum, warum arme Menschen Neid empfinden. Daraus ergeben sich für sie Fragen wie: Wie wird er politisch hergestellt? Wo ist er Anklage gegen die Ungerechtigkeit?
"Ich glaube, dass viele unserer Gefühle politisch hergestellt sind und viel über die gesellschaftlichen und ökonomischen Verhältnisse aussagen, in denen wir leben."
Unsere Gefühle sind keineswegs so naturhaft, wie sie uns erscheinen mögen, sagt sie. Sie seien auch das Ergebnis der Erzählungen, mit denen Gesellschaften sich Sinn und Identität verleihen. Diese vermeintlichen Wahrheiten gelte es zu entlarven und ihren politischen Kern herauszuschälen.
Für viele Menschen klinge Hass extrem, sie wollten sich damit nicht identifizieren. Warum Hass aber nicht immer hässlich ist, hört ihr im Gespräch mit Şeyda Kurt.
Şeyda Kurt studierte Philosophie und Romanistik sowie Kulturjournalismus in Köln, Bordeaux und Berlin. Als freie Journalistin schreibt sie unter anderem für den Zeit Verlag. Als Redakteurin arbeitete sie an dem Spotify-Originalpodcast "190220 – Ein Jahr nach Hanau". Ihr neues Buch heißt: "Hass – Von der Macht eines widerständigen Gefühls".