Guido Steinberg hatte gerade seine Doktorarbeit über "Religion und Staat in Saudi-Arabien" abgeschlossen, als der 11. September 2001 die Welt veränderte. Seitdem ist der islamistische Terrorismus einer seiner Arbeitsschwerpunkte.
Guido Steinberg hat im Jahr 2000 promoviert. Das Thema seiner Dissertation: "Religion und Staat in Saudi-Arabien. Die wahhabitischen Gelehrten 1902–1952." Er kann sich noch gut daran erinnern, dass Ende der 90er Jahre Leute gelacht haben, dass er sich mit Religionsgelehrten in Saudi Arabien befasste. "Nach dem 11. September hat keiner mehr gelacht", sagt er heute. Da hatte er gerade seinen ersten Job an der Freien Universität in Berlin - und wurde zum gefragten Interviewpartner, weil er sich auch vorher schon mit Osama Bin Laden beschäftigt hatte.
"Gläubige Menschen wurden sehr schnell in einen Topf geworfen mit Terroristen und Islamisten. Und die Abgrenzung kriegen ganz viele Deutsche bis heute nicht hin."
Während seines Studiums und der Dissertation hat Guido Steinberg sich mit vielen anderen Aspekten rund um den Islam und die arabische Welt beschäftigt. Seit das Thema so sehr ins Zentrum der Medien gerückt ist, konzentriert sich seine Arbeit auf die schwierigen Seiten der Religion - auf den Islamismus und Terrorismus. Er findet es schade, dass dadurch die schönen Seiten oft zu kurz kommen - er beschäftigt sich beispielsweise auch mit saudi-arabischer Geschichte oder mit syrischer Kultur. Guido Steinberg findet es auch problematisch, dass viele Menschen Schwierigkeiten haben, den Islam und Islamismus auseinanderzuhalten - und stattdessen alles in einen Topf werfen.
Reformen basierend auf der politischen Interpretation einer Religion
Guido Steinberg erklärt, in der arabischen Welt gebe es einen Trend, der sich - in verschiedenen Phasen - bis ins 18. Jahrhundert zurückverfolgen lässt: Versuche, die Gesellschaften zu reformieren. Diese Reformen passieren auf der Grundlage einer politischen Interpretation des Glaubens. Diese Entwicklungen finden sich - unterschiedlich ausgeprägt - in alles Ländern der islamischen Welt. "Die vielen Misserfolge in diesen Reformversuchen, die führen dann am Ende - ich kürze das jetzt ganz stark ab - dazu, dass es kleine Gruppen gibt, die versuchen, diese Reform mit Gewalt durchzusetzen", sagt Guido Steinberg. Der Islamische Staat und Al Quaida sind Beispiele für diese kleinen extremen Gruppen.
"Ich glaube, der 11. September ist deshalb wichtig, weil er auch dem letzten Ignoranten im Land klargemacht hat, wie wichtig dieses Thema für uns ist."
Wenn man sich Al Quaida oder den Islamischen Staat anschaue, dann schafften es diese verhältnismäßig kleinen Gruppen, mit ihren beschränkten Mitteln, Gesellschaften und sogar die Weltpolitik zu beeinflussen. Guido Steinberg sagt: "Das sind alles Anhänger einer totalitären Ideologie. Und die unterscheidet sich von den Kommunisten oder den Nationalsozialisten vor allem darin, dass sie religiös fundiert ist." In den Auswirkungen seien sie sich am Ende aber sehr ähnlich.
"Die Gesamtbewegung - die djihadistische Bewegung - ist heute ein Vielfaches größer als im Jahr 2001. Das ist ein Riesenproblem."
Wenn ihr mehr darüber erfahren wollt, was Guido Steinberg zum Islamismus sagt, wie er als Terrorismus-Spezialist im Bundeskanzleramt gearbeitet hat und wie er die Aufarbeitung des 11. Septembers aus heutiger Sicht bewertet, dann klickt auf den Play-Button und hört euch das gesamte Audio an.