Die Regierung Israels um Benjamin Netanjahu baut die Justiz zu ihren Gunsten um. Mit der Reform soll es dem höchsten Gericht des Landes verboten werden, Entscheidungen der Regierung zu blockieren.

Am 24. Juli hat das israelische Parlament den Kern der Justizreform beschlossen. Das höchste Gericht darf Entscheidungen der Regierung oder von Ministerin seither nicht länger auf deren Angemessenheit prüfen. Kritiker sagen, dass die Reform die Gewaltenteilung in dem demokratischen Land außer Kraft setzt.

Deswegen gibt es seit mehr als einem halben Jahr Proteste gegen das Gesetzesvorhaben der Netanjahu-Regierung. Noch vor der Verbaschiedung des Gesetzes haben Demonstrierende für mehrere Stunden die Hauptautobahn besetzt. Es kam zudem zu Straßenschlachten mit Beamten. Die Polizei setzte Wasserwerfer gegen die Demonstranten ein.

"Ich war am Montag in Jerusalem – direkt an der Knesset. Da gab es Massenproteste. Zehntausende Leute waren unterwegs."
Björn Dake, ARD-Korrespondent in Tel Aviv

Der jetzt beschlossene erste Teil der Justizreform sei noch keine Entmachtung des höchsten Gerichts, meint Björn Dake, Korrespondent in Tel Aviv. "Doch Gegner dieser Reform befürchten, dass das erst der Anfang ist und dass da noch mehr kommt", sagt er.

So verhinderte das Oberste Gericht noch Mitte Januar die Ernennung eines Mitglieds der neuen Regierung. Der Vorsitzende der strengreligiösen Schas-Partei, Arie Deri, hat sein Amt als Innen- und Gesundheitsminister nicht behalten. Die Richter urteilten, dass eine Person, die vorbestraft ist, nicht Minister werden kann. "In Zukunft ist das nicht mehr möglich. Die Befürchtung ist, dass in Zukunft auch korrupte Politiker in die Regierung kommen könnten", sagt Björn Dake.

Angst um die Demokratie

Gegen die Reformen der Regierung wird es weiter Proteste geben. Die Gegner setzen sich aus allen Teilen der Bevölkerung zusammen. "Das sind Ärzt*innen, Gewerkschafter*innen, Soldatinnen und Soldaten. Auch Mitarbeiter von internationalen Firmen gehen zu den Protesten. Für das Wochenende sind Massenproteste angekündigt", sagt unser Korrespondent.

Neben den zahlreichen Gegner*innen der politischen Pläne gibt es auch einige Befürworter*innen. "Viele Leute finden das richtig, was hier passiert und was Netanjahus Koalitionspartner machen. Sie wollen, dass die Religion mehr Einfluss auf die Politik bekommt", fasst der Korrespondent die Gegenseite zusammen.

Wie es mit den Protesten in Israel weitergehen wird, ist offen, denn jetzt beginnen die Sommerferien in dem Land. Somit sind auch keine weiteren Gesetzesvorhaben aktuell in der Beratung. "Die große Frage ist daher, ob es weiter die großen Proteste geben wird oder ob sie sich totlaufen", so Björn Dake.

"Grundsätzlich ist die Angst einfach riesengroß, was mit der Demokratie in Israel passiert."
Björn Dake, ARD-Korrespondent in Tel Aviv

Sicherheit des Landes

Mehr als 13.000 Reservist*innen der Armee sagten, dass sie nicht mehr zum Dienst kommen, wenn der wichtige Teil der Justizreform durchkommt. Für die gesamte Armee, die extrem wichtig für die Sicherheit des Landes ist, habe das zunächst keine Auswirkungen – aber für einzelne Einheiten, erklärt Björn Dake. Für die Cyber-Abwehr oder Kampfpiloten kann das Aussetzen der Reservist*innen wirklich ans Ganze gehen, weil sie nicht mehr einsatzbereit sein. Das macht den Menschen natürlich Angst", sagt er.

Die Bevölkerung habe teilweise Angst um ihre Sicherheit. Deswegen häufen sich Appelle von Politiker*innen an die Reservisten, zum Dienst zu erscheinen – auch wenn sie die Reform ablehnen.

Shownotes
Proteste und Unsicherheit
Welche Auswirkungen die Justizreform in Israel auf die Bevölkerung hat
vom 29. Juli 2023
Moderation: 
Rahel Klein
Gesprächspartner: 
Björn Dake, ARD-Korrespondent in Tel Aviv