Seit fast 35 Jahren derselbe Premierminister, Ein-Parteien-System, Korruption: Die kambodschanische Jugend hat die Nase voll, sagt ARD-Korrespondent Holger Senzel. "Wir sind viele und wir sind entschlossen", sagt eine junge Aktivistin.

Kambodscha ist ein junges Land. 60 Prozent der Bevölkerung sind unter 30 Jahre alt. Das sieht man in den Straßen, Cafés und Bars. Doch die Jugend fühlt sich immer weniger vertreten. Besonders deutlich wird das an den Parlamentswahlen 2018, seit denen die Kambodschanische Volkspartei alleine regiert.

Die Oppositionspartei Nationale Rettungspartei Kambodschas wurde 2017 aufgelöst. Sie hatte zum Boykott der Parlamentswahlen 2018 aufgerufen. Fast 17 Prozent der Wähler blieben der Wahl fern und fast 9 Prozent haben ungültige Stimmzettel abgegeben. Als Sieger ging die Kambodschanische Volkspartei (CPP) hervor, die alle 125 Sitze im Parlament besetzt.

Der lange Schatten der Roten Khmer

Ein Großteil der Funktionäre in der staatlichen Verwaltung gehören der CPP an. Einige Parteimitglieder waren früher Mitglied der Roten Khmer, so wie der Parteiführer Hun Sen. Er ist seit 1985 Premierminister.

Die Roten Khmer terrorisierten von 1975 bis 1979 das Land. Während der Schreckensherrschaft Pol Pots und der Roten Khmer, er wollte einen Bauernstaat und eine egalitäre Gesellschaft nach maoistischem Muster erschaffen, kamen Schätzungen zufolge 1,7 bis über 2 Millionen Menschen ums Leben. Mehr als ein Viertel der Bevölkerung ist in den Killing Fields von den Roten Khmer ermordet worden, berichtet Holger Senzel, ARD-Korrespondent.

Durchschnittsalter in Kambodscha: 25

1979 ist die Vietnamesische Armee einmarschiert und hat den "Steinzeit-Kommunismus" beendet, erzählt Holger Senzel. Die "Felder des Tötens" gibt es auch rund um die kambodschanische Hauptstadt Phnom Penh. Diese gewaltvolle Geschichte ist ein Grund, warum die kambodschanische Gesellschaft so jung ist. 25 Jahre ist das Durchschnittsalter, sagt Holzer Senzel.

"Phnom Penh wirbelt. Das ist eine ganz junge Stadt voller Straßencafés, voller junger Menschen, die auf Mopeds durch die Stadt brausen."
Holger Senzel, ARD-Korrespondent in Südostasien

Es sei eine ganz besondere Stimmung in Phnom Penh: Auf der einen Seite herrsche ein sehr jugendliches Straßenbild vor, auf der anderen Seite die Aufmärsche der CPP, in deren Reihen sich auch junge Menschen befinden. Auf unseren Korrespondenten wirkt Phnom Penh wie eine Mischung auf dem früheren Ost-Berlin und Amsterdam.

Entwicklungsverzögerung durch Terrorregime

Infolge des Terrorregimes ist eine ganze Generation an Akademikern, Ingenieuren und Intellektuellen entweder vertrieben oder ermordet worden. Die gesamte Infrastruktur des Landes wurde zerstört, sodass Kambodscha heute noch eines der am wenigsten entwickelten Länder der Welt ist, sagt unser Korrespondent.

"Kambodscha ist heute auch wieder eine Diktatur."
Holger Senzel, ARD-Korrespondent in Südostasien

Politisch kann man heute von einer Ein-Parteien-Diktatur sprechen, sagt Holger Senzel. Vergangenheitsbewältigung findet eher nicht statt. Die junge Generation ist mit dem politischen System extrem unzufrieden, berichtet Holger Senzel. Kambodscha zähle zu den korruptesten Ländern der Welt.

"Die Jugendlichen sind stinksauer. Sie haben immer mehr die Nase voll von der Politik und Korruption."
Holger Senzel, ARD-Korrespondent in Südostasien

Die junge Generation fordert mehr Teilhabe an der Gesellschaft. Sie haben ihre Stimme eher der Opposition gegeben. Nachdem Premierminister Hun Sen festgestellt hat, dass diese immer stärker wird, hat er sie verbieten lassen und deren Stimmen seiner eigenen Partei zugeschlagen, sagt Holger Senzel.

Junge Generation fordert Teilhabe an der Politik

Die Menschen engagieren sich in NGOs wie Politikoffee und wollen so zu einer Demokratisierung des Landes beitragen. Die Organisation hat inzwischen rund 1000 Mitglieder, berichtet Holger Senzel.

"Unser Motto ist: Trink Kaffee und sprich über Politik. Ich will, dass junge Kambodschaner verstehen, was in diesem Land vorgeht und wie sie sich einbringen können."
23-jähriger Aktivist von Politikoffee

In einem Land wie Kambodscha ist es nicht ungefährlich, sich politisch zu engagieren. Holger Senzel zitiert Hun Sen mit den Worten: "Ich sperre Demonstranten in Käfige ein und erschlage sie wie Hunde." Die Oppositionspolitiker hat er aus dem Land vertrieben und kritische Journalisten sitzen im Gefängnis.

"Die Unterdrückung und die Repression ist relativ groß."
Holger Senzel, ARD-Korrespondent in Südostasien

Der 23-jähriger Aktivist von Politikoffee ist deshalb auch vorsichtig und sagt, dass er niemals auf Facebook oder Instagram politische Statements posten würde: "Ich zensiere mich da schon selbst, bevor ich etwas auf meiner Social-Media-Seite poste."

Hat die Regierung Angst?

Eine junge Aktivistin sagt unserem Korrespondenten, dass sie glaubt, das Regime habe Angst vor der jungen Generation, weil sie viele und entschlossen seien. "Bei der Wahl 2013 haben die meisten Jungwähler für die Opposition gestimmt", sagt sie. Wenn die Regierung keine Angst hätte, hätten sie die Opposition nicht verboten.

Shownotes
Kambodscha
Stimmung in Phnom Penh: "Die Jugendlichen sind stinksauer"
vom 22. Juni 2019
Moderatorin: 
Rahel Klein
Gesprächspartner: 
Holger Senzel, ARD-Korrespondent in Südostasien