Händler werfen Amazon vor, seine Marktmacht auszunutzen – vor allem zu Lasten kleinerer Anbieter. Das Bundeskartellamt hat nun ein Verfahren gegen das Unternehmen eingeleitet.
Wer bei Amazon einkauft, weiß: Das Unternehmen hat eine Doppelrolle – Kunden können direkt bei Amazon einkaufen oder über die Amazon-Website "Amazon Marketplace". Auf dieser Website bieten Händler Produkte an, die es zum Teil auch direkt bei Amazon zu kaufen gibt.
Die Händler fühlen sich von Amazon schon länger schlecht behandelt und klagen zum Beispiel über die Vertragsbedingungen. Jetzt hat das Bundeskartellamt ein sogenanntes Misstrauensverfahren eingeleitet. Unser Deutschlandfunk-Nova-Reporter Johannes Döbbelt weiß, was das genau bedeutet und ob das Verfahren Auswirkungen auf die Kunden haben könnte.
Durch Amazons Doppelrolle besteht ein Interessenskonflikt
Der Verdacht des Bundeskartellamts: Amazon könnte seine Marktmacht ausnutzen, also zum Beispiel kleine Händler benachteiligen. Denn Marktmacht hat das Unternehmen in Deutschland – 46 Prozent des deutschen Online-Handels laufen über Amazon.
Durch die Doppelrolle des Unternehmens besteht ein grundsätzlicher Interessenskonflikt – das schildert auch Thomas Höppner, mit dem Johannes gesprochen hat. Thomas Höppner ist Professor für Wirtschaftsrecht an der Technischen Hochschule Wildau. Er sagt, dass Amazon seine ganzen Daten nutzen kann, um sich bei den kleinen Händlern etwas abzuschauen.
"Dass Amazon erkennt: Okay, bei dem Händler, da funktioniert das folgende Produkt richtig gut. Dann nutzt Amazon diese Daten ohne oder oft gegen Willen des Händlers, um ein Konkurrenzprodukt zu etablieren."
Konkret bedeutet das: Wenn Amazon zum Beispiel ein Produkt eines Händlers gefällt, kann das Unternehmen direkt auf den Hersteller zugehen und ihn für den eigenen Verkauf abwerben – so spart Amazon den Zwischenschritt über den Händler und "Amazon Marketplace". Das Vorgehen an sich ist legal – bedeutet aber auch, dass Amazon seine Marktmacht ausnutzt.
In den Verträgen steht standardmäßig „Luxemburg“ als Gerichtsstand
Auch die Verträge, die Amazon mit seinen Händlern macht, sind auf dem Prüfstand. Bei solchen Verträgen wird üblicherweise ein Gerichtsstand festgelegt – für den Fall, dass die Vertragsparteien miteinander vor Gericht ziehen. Der Gerichtsstand besagt dann, wo genau die Gerichtsverhandlung stattfinden soll.
"Jetzt ist es natürlich für einen kleinen Sockenhändler aus Brandenburg nicht so einfach einen Zivilrechtsstreit auszutragen in Luxemburg. Aufgrund dieser unterschiedlichen Marktposition ist so eine Klausel betrachtenswert."
In Verträgen zwischen Amazon und seinen Händlern steht allerdings standardmäßig "Luxemburg" als Gerichtsstand. Der Sprecher des Bundeskartellamts, Kay Weidner, sagt, dass es für manche Händler aber schwierig sei, einen solchen Zivilrechtsstreit in Luxemburg auszutragen.
Außerdem schaut sich das Kartellamt noch verschiedene Beschwerden von Händlern an, deren Shops zum Beispiel im Marketplace gesperrt oder gelöscht wurden – Amazon ihnen aber nicht transparent vermittelt warum. Oder Geld, das zu spät oder gar nicht von Amazon an die Händler weitergeleitet wurde.
Verfahren soll Amazon dazu bringen, etwas zu ändern
Das Verfahren soll Amazon dazu zu bringen, bestimmte Geschäftspraktiken von selbst zu ändern. Das hat schon mal geklappt: Früher hat Amazon seine Händler dazu verpflichtet, das gleiche Produkt nirgends billiger anzubieten. Die Kunden haben also den Amazon-Preis gezahlt – in dem die Amazon-Provision schon mit eingerechnet war. Sie hatten keine Chance, das Produkt auf anderen Websites günstiger zu erstehen. Das Kartellamt hat dies 2013 beanstandet und Amazon hat daraufhin diese Regel für ganz Europa abgeschafft.
Eine solche Richtungsänderung erhofft sich das Kartellamt auch mit diesem Verfahren. Erst einmal wird es keine Bußgelder geben, das Verfahren ist vorerst ein sogenanntes Verwaltungsverfahren. Sollte Amazon seine Praktiken langfristig nicht ändern, könnte es immer noch Bußgelder geben.
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