Katzen in Not – direkt vor unserer Haustür. Millionen Tiere leiden, Tierheime überfüllt. Die SPD will jetzt alle Freigänger-Katzen kastrieren lassen. Doch ist das die Lösung?
Bevor uns den Vorschlag der SPD, alle Katzen kastrieren zu lassen, näher anschauen, erst einmal: Wie groß ist das Problem?
- Der Tierschutzbund schätzt, dass es mehrere Millionen Straßenkatzen gibt.
- Die Tierschutzorganisation Peta geht von zwei Millionen Straßenkatzen aus.
- Genaue Zahlen zur Population der Straßenkatzen gibt es nicht, weil sie nicht gezählt werden.
- Die sogenannten Wildlinge leben versteckt, sind scheu und in der Dämmerung und nachts aktiv.
- Straßenkatzen sind anders als Wildkatzen nicht so geschickt bei der Jagd und finden in den Städten wenig Beute. Deshalb sind Straßenkatzen eher schlecht ernährt und anfällig für Krankheiten. Trotzdem vermehren sie sich rasant.
- Eine Katze hat zwei bis drei Würfe pro Jahr, pro Wurf bekommt eine Katze vier bis sechs Junge.
- Im Jahr bekommt eine Katze bis zu 18 Junge.
- Laut Tierschutzbund kann eine Katze in zehn Jahren 200 Millionen Nachfahren haben.
Das Problem ist also groß, weshalb auch Tierschutzorganisationen Katzenhaltende dazu aufrufen, ihre Freigängerkatze registrieren und kastrieren zu lassen. Deshalb begrüßen sie den Antrag, der im Juni beim SPD-Bundesparteitag beschlossen wurde. Darin wird gefordert, dass es eine bundesweite Kastrationspflicht für Katzen geben soll, die nicht für die Zucht eingesetzt werden. Die SPD-Fraktionen in Bund und Ländern sollen entsprechende Anträge zur Änderung des Tierschutzgesetzes einbringen.
Kommunale Kastrationspflicht reicht nicht
Laut Tierschutzbund gibt es bislang nur 1900 Kommune, die eine entsprechende Kastrationspflicht eingeführt haben. Das sind aber zu wenige, um das Problem flächendeckend in den Griff zu bekommen. Denn jede unkastrierte Freigängerkatze kann sich unkontrolliert fortpflanzen und sorgt so dafür, dass die Straßenkatzenpopulationen immer weiter ansteigen. Letztlich gehen alle Straßenkatzen auf Katzen aus Privathaushalten zurück, die nicht kastriert wurden, sagt der Deutsche Tierschutzbund.
Katzenhalter*innen können also mit der Registrierung und Kastration ihrer Katze dazu beitragen, diese exponentiell wachsenden Straßenkatzenpopulationen zu verringern. Je nach Katze oder Kater kostet eine Kastration laut Tierschutzbund bis zu 300 Euro. Manche Länder wie NRW oder Baden-Württemberg unterstützen die Kastration finanziell, wenn diese von Tierheimen durchgeführt werden.
Verantwortung liegt bei den Katzenhalter*innen
Katzenhaltende können mit der Kastration ihrer Katze auch die Tierheime entlasten, die Straßenkatzen aufnehmen und versorgen. So wie das Tierheim in Koblenz, dessen Leiterin Christiane Zerfass berichtet, dass sie schon des öfteren an die Grenzen ihrer Aufnahmekapazitäten gekommen sind.
"Wir hatten in den letzten Jahren in den Sommermonaten über 100 Katzen. Ganz viele davon waren Wildlingskatzenkinder. Das heißt, dass sie draußen geboren wurden."
Christiane Zerfass nennt die verwilderten Hauskatzen Wildlinge. Sie sind an Menschen nicht gewöhnt und fauchen sie an. Eingesperrt zu sein im Tierheim bereitet den Wildlingen ebenfalls Stress. Solche Katzen lassen sich auch nicht so leicht an Katzenhalter*innen vermitteln. Und je mehr Wildlinge bei ihr im Tierheim ankommen, desto prekärer wird die Lage im Tierheim.
Deshalb ist die Tierheimleiterin auch für den SPD-Vorschlag einer Kastrationspflicht, weil so alle Katzenhalter*innen erreicht werden – auch diejenigen, die nicht einsichtig sind.
"Deswegen muss es leider Verordnungen geben, die vorschreiben: Wenn du deine Tiere draußen rumlaufen lässt – auch Wohnungskatzen können gerne mal schnell entwischen –, sollten sie kastriert werden."
Dabei gibt es in Koblenz schon seit zwei Jahren eine Kastrationspflicht. Aber Christiane Zerfass erklärt, dass es eine gewisse Zeit dauert, bis es spürbar weniger Straßenkatzen gibt. Dank der Kastrationspflicht hat sie aber als Tierheimleiterin die Möglichkeit, eine Fundkatze, die bei ihr abgeben wurde und die noch nicht kastriert ist, dem Besitzer oder der Besitzerin erst wieder zurückzugeben, nachdem sie kastriert wurde.
Keine Angst vor Kastration bei Katzen
Katzenhalter*innen, die eine Kastration für einen krassen körperlichen Eingriff für ihre Katze halten, sollten sich das Leid der vielen Straßenkatzen vor Augen halten, die mit schweren Erkrankungen qualvoll sterben. Dagegen ist eine Kastration ein schneller Routineeingriff für Tierärzt*innen. Durch die fehlenden Sexualhormone verändert sich das Tier, aber laut Tierschutzbund muss das nicht nur negativ sein:
- Das Wesen der Tiere ist ausgeglichener, was nicht bedeutet, dass sie temperamentlos und träge werden.
- Es kommt zu weniger Streitigkeiten, was Verletzungen und somit die Wahrscheinlichkeit von Krankheitsübertragungen reduziert.
- Tiere sind nicht mehr auf der Suche nach Geschlechtspartnern, wofür sie oft weite Strecken in Kauf nehmen.
- Das Risiko, im Straßenverkehr zu verunglücken, sinkt dadurch.
- Wenn weibliche Katzen nicht mehr rollig werden, besteht auch keine Gefahr mehr, dass die Tiere dauerrollig werden und an hormonabhängigen Erkrankungen des Geschlechtsapparates wie Gebärmutterentzündungen oder Tumoren erkranken.
- Dass kastrierte Katzen automatisch dick und träge werden, ist ein Irrglaube – hier ist es entscheidend, die Futtermenge der Aktivität des Tieres anzupassen.
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