Der Mona-Lisa-Effekt beschreibt, wie der Blick einer gemalten Person dem Betrachter durch den Raum folgt. Doch zwei Wissenschaftler haben nun herausgefunden: Ausgerechnet die Namensgeberin schaut uns nicht direkt an.

Die Mona Lisa, oder auch La Joconde, gemalt um das Jahr 1503 von Leonardo da Vinci, ist wohl eines der berühmtesten Kunstwerke aller Zeiten. Bekannt ist die lächelnde Frau unter anderem für ihre Augen: Der Betrachter verspürt öfters das Gefühl, dass die Porträtierte ihn mit dem Blick verfolgt.

"Der Mona-Lisa-Effekt ist der, dass du das Gefühl hast, dass eine Person auf einem Bild oder einem Foto dich anschaut - egal, in welchem Winkel du selbst sitzt, oder stehst."
Tina Kießling, Deutschlandfunk-Nova-Wissensnachrichten

Zwei Wissenschaftler aus Bielefeld haben den sogenannten Mona-Lisa-Effekt untersucht und festgestellt: Diesen Blick, der mitgeht, den gibt es wirklich – aber nicht bei der Mona Lisa selbst. Der Name dieses Phänomens führt in die Irre.

Der Effekt entsteht, wenn die porträtierte Person geradeaus aus dem Gemälde oder Foto schaut. Dabei spielt der frontale Blickwinkel des Porträts eine wichtige Rolle: Ab fünf Grad Blickwinkel haben wir nicht mehr das Gefühl, angeschaut zu werden.

Die Wahrnehmung als Beweis

Dass die Mona Lisa diese Voraussetzung nicht erfüllt, haben die Wissenschaftler mit einem simplen Experiment geprüft: Die Forscher ließen 24 Studierende an Bildschirmen das Bild anschauen.

Zudem haben die Wissenschaftler über das Computer-Bild ein Lineal gelegt, worauf die Testpersonen zeigen sollten, in welche Richtung die Porträtierte schaut.

Mona Lisa schaut rechts am Betrachter vorbei

Insgesamt 2000 Einschätzungen haben die Forscher eingesammelt, mit dem Ergebnis: Die Mona Lisa schaut vorbei, in den meisten Fällen nach rechts. Und zwar nicht nur haarscharf, sondern eindeutig – der durchschnittliche angegebene Blickwinkel betrug 15,4 Grad. 

Mona Lisa hat jedoch einen leichten Silberblick. Das heißt: Ihre Augen schauen nicht in die gleiche Richtung und sind demnach nicht symmetrisch. Diese Maltechnik wurde in der Renaissance, zu Zeiten da Vincis, erstmals angewendet. Dadurch kann der Blickverfolgungs-Effekt teilweise entstehen, ist aber nicht vergleichbar mit der Wirkung, die durch den frontalen Blickwinkel entsteht. 

"Dadurch fühlt man sich eher angeschaut, und das verwirrt einen auch ein bisschen."
Tina Kießling, Deutschlandfunk-Nova-Wissensnachrichten

Auch, wenn die Mona Lisa diesen Silberblick innehat und vieles für einen verfolgenden Blick spricht, sind die Forschungsergebnisse der Bielefelder Wissenschaftler ziemlich verlässlich. Denn schon in den 1960er Jahren haben Wahrnehmungsforscher herausgefunden, dass Menschen ziemlich gut darin sind, einzuschätzen, wer sie anschaut oder anstarrt – das liegt unter anderem an dem menschlichen Selbsterhaltungstrieb.

Wichtige Erkenntnis für künstliche Intelligenz

Dieser Blickwinkel-Effekt ist insgesamt keine unwichtige Entdeckung. Die Wirkung könnte etwa interessant für die Zukunftsforschung zu künstlichen Intelligenzen und Avataren sein. Aus dieser Richtung kommen auch die beiden Wissenschaftler. Mit solchen Experimenten lässt sich prüfen, in welchem Blickwinkel wir Menschen erkennen können. Damit wären zum Beispiel Avatare in der Lage, uns von einem Bildschirm direkt anzuschauen. 

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Shownotes
Der Blick, der mitgeht
Kein Mona-Lisa-Effekt bei der Mona Lisa
vom 09. Januar 2019
Moderatorin: 
Steffi Orbach
Gesprächspartnerin: 
Tina Kießling, Deutschlandfunk Nova Wissensnachrichten