Im Kitchen Lab des Max-Planck-Instituts in Potsdam suchen Wissenschaftler mit Küchengeräten nach Innovationen. Das Labor, das aus einem Wettkochen entstanden ist, ist inzwischen eines der erfolgreichsten Laboratorien seines Instituts, sagt Leiter Markus Antonietti.

Das Kitchen Lab des Potsdamer Max-Planck-Instituts (MPI) für Kolloid- und Grenzflächenforschung hat einen großen Vorteil: Die Küchengeräte sind viel günstiger als eine konventionelle Laborausrüstung. Statt teurer Zentrifugen oder Lasermikroskopen stehen in diesem Labor: Mixer, Knetmaschinen und ein Ofen.

Markus Antonietti leitet die Abteilung Kolloidchemie des Instituts. Die Forscher dort sind auf der Suche nach einfachen und nachhaltigen Lösungen für globale Herausforderungen – zum Beispiel den zunehmenden Energiebedarf oder die steigende CO2-Konzentration in der Atmosphäre. In ihrem Labor experimentieren Markus Antonietti und seine Mitarbeiter dafür mit ökologischen Stoffen.

"Die Idee des Kitchen Lab ist tatsächlich eine große. Wir betreiben ja nachhaltige und grüne Chemie, was zum Beispiel bedeutet, dass wir die meisten unserer Rohstoffe tatsächlich der Natur entnehmen."
Markus Antonietti, MPI für Kolloid- und Grenzflächenforschung, Leiter Abteilung "Kolloidchemie"

Beispielsweise versuchen sie, mithilfe eines neuartigen Kochprozesses Schwarzboden herzustellen, der landwirtschaftlich genutzte Flächen fruchtbarer machen soll. Als Zutaten für einen Schwarzerdeteig dienen zum Beispiel Laub, der in Berlins Straßen zusammengekehrt wurde, Sägespäne oder Grünschnitt aus Gärten.

"Wenn das klappt, ist das die größte CO2-Senke der Welt. Weil wir haben mehr Kohlenstoff im Mutterboden gespeichert als in der gesamten belebten Natur und in der gesamten Atmosphäre."
Markus Antonietti, MPI für Kolloid- und Grenzflächenforschung, Leiter Abteilung "Kolloidchemie"
Schwarzboden-Teig aus dem Kitchen Lab.
© Deutschlandfunk Nova | Vanja Budde
Schwarzboden-Teig aus dem Kitchen Lab.

Abfallbiomasse, die ansonsten verbrannt werden würde, wird durch diese Verarbeitung im Labor extrem wertvoll: In schlechte Böden eingebracht, könnte dieser Schwarzboden aus dem Labor die Fruchtbarkeit der Erde verbessern – und so vielleicht sogar den Hunger in der Welt bekämpfen helfen, hofft Markus Antonietti. Der experimentierfreudige Chemiker hat bereits 90 Patente angemeldet.

Mit Küchengeräten die Forschung demokratisieren

Eine weitere Innovation, die im Küchenlabor entwickelt wurde, ist ein Holzschaum, der brennbare und hochgiftige Dämmstoffe ersetzen soll. Ein Partner aus der Industrie kümmert sich gerade um die Zulassung des Verfahrens.

"Wir haben in den letzten Jahren so viele Materialien in diesem Labor entwickelt wie in keinem anderen. Was eigentlich aus einem Gefühl entstanden ist, ist jetzt eines der erfolgreichsten Laboratorien dieses Instituts."
Markus Antonietti, MPI für Kolloid- und Grenzflächenforschung, Leiter Abteilung "Kolloidchemie"

Francesco Brandi und Majd Al-Najiin, zwei weitere Mitarbeiter des Labors, stellen aus Nudelmehl Katalysatoren her. Die sind wichtig für eine ganze Reihe von Prozessen – zum Beispiel für die viel diskutierte Autoabgasreinigung.

"Man kann fast alles essen, was wir benutzen. "
Markus Antonietti, MPI für Kolloid- und Grenzflächenforschung, Leiter Abteilung "Kolloidchemie"

Der Chemiker Francesco Brandi forscht in Potsdam für seine Doktorarbeit. Er sagt selbst, dass er nicht gedacht hätte, dass er am renommierten Max-Planck-Institut mit italienischen Pizzamehl hantieren würde.

Markus Antonietti, MPI, präsentiert in seinem Labor einen Schwarzboden-Fladen
© Deutschlandfunk Nova | Vanja Budde
Markus Antonietti experimentiert mit einem Fladen aus Schwarzboden.

Weil die Experimente im Küchenlabor jeder nachmachen kann, betreibt das Institut aktiv die Demokratisierung der Forschung, sagt Markus Antonietti. Der Chemiker hofft, dass das Kitchen Lab Schulklassen dabei helfen kann, ihre Berührungsängste gegenüber der Spitzenforschung abzubauen.

Shownotes
Kitchen Lab
Nachhaltige Innovationen – Küchengeräte statt teurer Zentrifugen
vom 25. Juli 2019
Moderatorin: 
Tina Howard
Autorin: 
Vanja Budde, DLF-Landeskorrespondentin Brandenburg