Im Sportklettern kritisieren Fachleute den Kampf ums Körpergewicht einiger Athleten. Diese würden sich auf ein ungesund niedriges Gewicht hungern, damit sie im Wettkampf mehr erreichen. Für die Kritiker geht der Weltverband nicht ausreichend dagegen vor.
Sie hängen an der Wand und ziehen ihren Körper aus der Kraft ihrer Arme hoch: Kletterprofis arbeiten gegen die Schwerkraft. Ihr Körpergewicht spielt daher eine wichtige Rolle. Es gilt das Prinzip: Wer leichter ist, kann leichter klettern. Doch über das Gewicht der Athlet*innen wird aktuell viel diskutiert.
Rücktritt aus Protest
Der Vorwurf: Manche der Profisportler*innen würden sich auf ein ungesundes Körpergewicht runterhungern, damit sie im Wettkampf einen Vorteil haben und so erfolgreicher sind. Diese Praxis haben Athlet*innen wie Alannah Yip öffentlich kritisiert. Sie sprach im Juni beim Weltcup 2023 in Innsbruck darüber und hat dazu auch ein Statement veröffentlicht.
Zuletzt ist Sportmediziner Völker Schöffl am 5. Juli von seinem Amt in der medizinischen Kommission des Weltverbandes für Sportklettern (IFSC) zurückgetreten, Kommissionspräsident Eugen Burtscher hat es ihm gleichgetan. Laut Völker Schöffl sind Essstörungen im Klettersport weit verbreitet. Doch der Weltverband unternehme nichts dagegen. Die Gründe seines Rücktritts hat der Sportmediziner auf Instagram gepostet.
"Seit zehn Jahren drängt die medizinische Kommission auf Lösungen. Die Konzepte sind auch da. Aber es wird nichts umgesetzt."
Der Druck, dünn zu sein
Dauerhaftes Untergewicht kann bei Sportler*innen zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen, einer abnehmende Knochendichte und auch Unfruchtbarkeit führen. Bei Frauen kann zusätzlich die Periode ausbleiben. Diese Symptome sind auch als RED-S Syndrom (Relative Energy Deficiency in Sport) bekannt. Die Erkrankung betrifft besonders Profisportler*innen, die einen Vorteil davon haben, wenn sie wenig wiegen, wie Karsten Köhler von der Technischen Universität München gegenüber Sportschau.de erklärt hat.
Um herauszufinden, wie viele Athletinnen im Klettersport von einer ausbleibenden Periode betroffen sind, haben US-Forschende im vergangenen Jahr eine Online-Umfrage durchgeführt. An der Befragung nahmen insgesamt 114 Sportlerinnen teil, die beim Weltverband für Sportklettern registriert sind. Von ihnen gaben rund 16 Prozent an, dass ihre Periode regelmäßig ausbleibe. Ein Teil von ihnen ergänzte, zusätzlich mit einer Essstörung zu kämpfen.
Sportler schützen
Damit das Körpergewicht der Sportler*innen weniger im Fokus steht, hat der Weltverband die Kletter-Routen bei Wettkämpfen mittlerweile angepasst. Dadurch sollen sich Profis durch eine gute Athletik einen Vorteil verschaffen, weniger durch ihr geringes Gewicht.
Der Weltverband hat am 6. Juli zusätzlich angekündigt, dass er für die Saison 2024 und die Olympischen Spiele an einem neuen Regelwerk arbeite. Es soll die Athlet*innen besser schützen. Laut der Vorsitzenden des Weltverbands, Debra Gawrych, werde sich der IFSC außerdem während der Kletter-Weltmeisterschaft mit den Sportler*innen über das Thema Körpergewicht austauschen.
Mit Ampelsystem gefährdete Sportler*innen sperren
Im Rahmen seines Rücktritts macht der Sportmediziner Volker Schöffl allerdings deutlich, dass die medizinische Kommission bereits Konzepte erarbeitet hätte. "Man könnte jederzeit damit starten. Es wird zwar immer gesagt: Ja, wir tun was. Aber es wird nichts umgesetzt", erklärt er.
Was aktuell gefordert wird, ist eine Schutzsperre für gefährdete Athlet*innen. Damit diese auch erkannt werden, müssten die Sportler*innen ein Screening durchlaufen. "Da schaut man: Ist der BMI und der etwas genauere Mass-Index okay? Wie ist der Körperfettanteil? Wie ist die Knochendichte?", sagt unsere Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Sarah Brendel.
Für Athlet*innen, die bei dem Screening besonders auffallen, greift ein Ampelsystem, das sich an den Vorgaben der Olympischen Spiele orientiert. Das Ampelsystem sieht demnach so aus:
- Grün: Athlet*innen dürfen ohne Einschränkungen am Wettkampf teilnehmen.
- Orange: Teilnahme am Wettkampf ist nur mit medizinischer Beobachtung möglich.
- Rot: Ausschluss vom Wettkampf.
Bei den Olympischen Spielen wurden durch dieses Ampelsystem schon Schutzsperren für Skiläuferinnen verhängt. Was beim Klettern allerdings fehlt, so die Kritiker*innen, ist eine rechtliche Konsequenz. Dadurch könnten gefährdete Athlet*innen an keinen Wettkämpfen mehr teilnehmen.