Mit einem Stern des "Guide Michelin" ausgezeichnet zu werden, bedeutet internationale Anerkennung. Gut zu sein, reicht dabei nicht: Nur besonders kreatives und originelles Küchenhandwerk bekommt einen Stern. Anspruchsvollen Foodies gibt er eine Orientierung – somit ist er auch ein Wirtschaftsfaktor.

In Gastronomiebetrieben, zum Beispiel in Restaurants, steckt viel harte Arbeit. Das Budget ist meist recht knapp kalkuliert, gute Zutaten sind im Einkauf nicht günstig, dazu kommen die Miete und die Löhne für die Angestellten. Die Arbeit in einer Gastroküche kann ein ziemlicher Knochenjob sein: Das Essen soll natürlich frisch auf die Teller kommen, alle Gäste sollen ihre Bestellungen möglichst gleichzeitig bekommen, die verschiedenen Garpunkte müssen stimmen und das Gericht soll bestenfalls eine stimmige Komposition ergeben.

Sterneküche muss innovativ sein

Wer viel leistet, um seinen Gästen eine gute Küche zu bieten, bekommt dafür aber häufig kaum Anerkennung. Denn um von der Branche gewürdigt zu werden – indem man beispielsweise einen Stern des "Guide Michelin" verliehen bekommt – muss man mehr als "nur" handwerklich überzeugen.

Nur besonders kreative und originelle kulinarische Kreationen werden ausgezeichnet, sagt die Journalistin Antonia Wien, Gastrokritikerin und Talentmanagerin für Gastronom*innen. Die Vergabe der Michelin-Sterne werde sehr kontrovers diskutiert.

"Vielen Köchen und Köchinnen ist es [die Vergabe der Michelin-Sterne] egal und ganz vielen ist es gar nicht egal. Ich glaube, es braucht solch ein Bewertungssystem heute immer noch."
Antonia Wien, Journalistin, Gastrokritikerin und Talentmanagerin für Gastronom*innen

In über 40 Ländern werden Restaurants getestet und die Sterne des "Guide Michelin" vergeben. In Deutschland wurden in diesem Jahr 340 Restaurants vom "Guide Michelin" getestet. Darunter befindet sich ein neues Drei-Sterne-Restaurant, drei neue Zwei-Sterne-Restaurants und 32 neue Ein-Sterne-Restaurants.

Kochen als Kunst

Manche Restaurantbesitzer*innen oder Küchenchef*innen arbeiten möglicherweise Monate oder gar Jahre auf eine Auszeichnung hin. Wieder anderen sei es ziemlich egal, ob sie einen Stern haben oder nicht, so Antonia Wien.

"Für viele Gastronomen ist es wahnsinnig wichtig, auch innerhalb der Branche zu zeigen: 'Hey, das kann ich.' Für viele ist es eine Kunstfertigkeit – (...) eine Kunst."
Antonia Wien, Journalistin, Gastrokritikerin und Talentmanagerin für Gastronom*innen

Manchen Restaurantbetreibern sei es vor allem wichtig, dass der Betrieb gut läuft und der Umsatz stimmt – was alleine schon herausfordernd genug sein kann.

Und tatsächlich gebe es auch Köch*innen, die einen Michelin-Stern auf keinen Fall bekommen wollen, weil er eine bestimmte Erwartungshaltung bei den Gästen auslöst und nicht selten auch einen großen, möglicherweise sogar existenziellen Druck erzeugen kann. Denn wer einen oder mehrere Sterne erhält, möchte diese in der Regel ungern wieder verlieren.

Michelin-Stern bewertet nicht Location oder Ambiente

Bei der Debatte um die Vergabe der Michelin-Sterne wird in der Branche gelegentlich auch kritisiert, dass es bei der Auszeichnung rein um das Kulinarische geht – das Ambiente und die Location zum Beispiel fließen nicht in die Bewertung mit ein.

"Der Michelin ist natürlich eine Nische – das darf man nicht vergessen."
Antonia Wien, Journalistin, Gastrokritikerin und Talentmanagerin für Gastronom*innen

Die Sterneküche sei eine absolute Nische, das dürfe man nicht vergessen, macht die Food-Journalistin deutlich. Nur eine relativ kleine Gruppe von Menschen sucht, schätzt und konsumiert die Sternenküche – und ist auch im Stande und bereit, regelmäßig das entsprechende Geld dafür auszugeben.

Mit jedem weiteren Stern erschließe sich ein Restaurant potentielle neue Besucher*innen, die zum Teil auch aus dem Ausland kommen. Die Auszeichnung sei daher auch heute noch eine absolute Benchmark, also ein Maßstab, für diejenigen, die anspurchsvolle kulinarische Kreationen schätzen.

Shownotes
Kochkunst
Michelin-Sterne – Maßstab oder überflüssig?
vom 26. März 2024
Moderation: 
Tina Howard
Gesprächspartnerin: 
Antonia Wien, Journalistin, Gastrokritikerin und Talentmanagerin für Gastronom*innen