Alina hat viel versucht, um abzunehmen, aber nichts hat langfristig geholfen. Inzwischen nimmt sie eine Abnehmspritze – und sie wirkt. Ein Arzt erklärt, wer das Medikament bekommen kann, wie es funktioniert und welche Nebenwirkungen es geben kann.
Alina ist adipös und hatte schon immer den Wunsch, abzunehmen. Einen Großteil ihres Lebens wog sie deutlich über 100 Kilogramm – bei einer Körpergröße von 1,89 Metern. Vor allem körperlich leidet sie unter dem Gewicht – auch, weil sie den Alltag mit zwei kleinen Kindern bewältigen muss.
Letztes Mittel: Abnehmspritze
Sie hat bereits auf verschiedenste Weise versucht, abzunehmen – doch es hat nie funktioniert. Seit einiger Zeit nutzt sie nun die Abnehmspritze Mounjaro. Alina erinnert sich, dass das erste Mal Spritzen für sie ein sehr emotionaler Moment war: "Ich habe geweint. Das wirklich zu machen, da hat sich dann so eine Blockade gelöst."
"Dieser ständige Gedanke: 'Du bist zu fett, du bist schlecht.' Das redet man sich über Jahre ein."
Malik Böttcher ist Allgemeinmediziner und Diabetologe und verschreibt Mounjaro zur Behandlung von Adipositas. Er erklärt, dass das Medikament dabei hilft, bestimmte Darmhormone gezielt anzusprechen: "Im Darm werden Hormone ausgeschüttet, die im Gehirn wirken. Die regulieren den Appetit und den Stoffwechsel. Das heißt, die Verdauung verändert sich auch."
"Bestimmte Darmhormone nehmen sehr starken Einfluss auf dein Hungergefühl und deinen Stoffwechsel."
Bei Alina wirkt die Abnehmspritze. In den ersten drei Monaten hat sie fast 20 Kilogramm verloren. Für sie war das Medikament die letzte Hoffnung – nach zahlreichen gescheiterten Versuchen, Gewicht zu verlieren. Immer wieder war ihr dabei ihre Essstörung im Weg.
Trotzdem hat es sie Überwindung gekostet, diesen Schritt zu gehen: "Da muss man das Ego zur Seite schieben und sagen: 'Okay, ich schaffe es jetzt wirklich nicht. Aber ich will mich nicht damit abfinden, dass ich immer so aussehe. Ich möchte gesünder sein."
"Der Punkt, dass ich dann gesagt habe: 'Ich mache das jetzt mit der Spritze.' Das war auch ein langer Prozess, sich das erstmal einzugestehen, dass man es nicht alleine schafft."
Alina hat dann einen Termin beim Arzt gemacht – und der hat ihr die Abnehmspritze ohne Weiteres verschrieben. Sie hatte erwartet, sich besonders rechtfertigen zu müssen, weil sie das Medikament haben wollte. Doch das war nicht der Fall: "Es war eine richtig schnelle Nummer. Nach fünf Minuten war ich wieder raus. Und ich habe mir vorher so eine Platte gemacht."
So hat Alinas Körper reagiert
Regelmäßige ärztliche Kontrollen gibt es bei Alina nicht. Der Arzt habe ihr lediglich gesagt, sie solle sich melden, falls etwas sei. Alina berichtet, dass sie nach der ersten Injektion starke Kopfschmerzen hatte. Auch an Schwindel, Übelkeit und ein starkes Völlegefühl erinnert sie sich. Inzwischen habe sie jedoch keine Nebenwirkungen mehr. Zudem habe sich ihr Hungergefühl deutlich verändert.
"Ich denke nicht mehr 24/7 über Essen nach. Es ist eher, dass ich sage: 'Okay, jetzt ist es schon 12 Uhr, jetzt muss ich auch mal langsam was essen."
Neues Lebensgefühl
Alina hat nicht mehr das Gefühl, sich mit Essen belohnen zu müssen – oder zu essen, nur weil sie einen schlechten Tag hatte. Sie stellt außerdem fest, dass sich ihr Alltag inzwischen spürbar verändert hat: "Ich bin viel agiler und nicht mehr so träge. Und ich kümmere mich mehr um mich selber. Ich gehe zum Sport und koche mehr. Wir bestellen zum Beispiel gar nicht mehr."
Dass das Abnehmen mit der Spritze funktioniert, ist für Alina eine große Erleichterung: "Es war ein krasses Gefühl, dass es jetzt auf einmal klappt. Es ist schön und befreiend."
Kosten für die Abnehmspritze ziemlich hoch
Aktuell ist die Abnehmspritze noch sehr teuer. Die Kosten belaufen sich auf etwa 240 bis 400 Euro pro Monat. Auch Alina kann sie sich erst jetzt leisten, weil sie als Selbständige im Social-Media-Bereich genug verdient. Als Content-Creatorin erzählt sie auf ihrem Account auch viel über das Thema.
Die Kosten für die Abnehmspritze werden bislang nicht von den Krankenkassen übernommen. Zugelassen ist sie für zwei Indikationen: Adipositas und Diabetes. Grundsätzlich richtet sich das Medikament an Personen mit einem Body-Mass-Index (BMI) von 30 oder höher. Doch auch Menschen mit einem niedrigeren BMI können die Spritze verschrieben bekommen. "Wir gucken uns das individuell an. Wir schauen uns vor allem auch die Blutwerte an und besprechen das mit dem Patienten", sagt Malik Böttcher.
"Du kannst das Medikament natürlich nicht aufschreiben, wenn es zu Abmagerung und lebensgefährdenden Zuständen kommt."
Diese Nebenwirkungen gibt es
Zu den häufigsten Nebenwirkungen, die in der Anfangszeit bei der Behandlung mit der Abnehmspritze auftreten können, zählen laut Malik Böttcher:
- Übelkeit
- Kopfschmerzen
- Schwindel
- Unwohlsein
In seltenen Fällen komme es auch zu Durchfall oder Übergeben. Und: Manche Patientinnen und Patienten müssten sich sogar zwingen, überhaupt zu essen, erklärt Böttcher: "Der Anfangseffekt mit dem fehlenden Hunger sorgt dafür, dass sie sich deutlich zu wenig ernähren, weil dann der Drive da ist, dass sie es endlich mal schaffen, weniger zu essen", so Markus Böttcher.
"Und dann geht es fast ins Fasten. Und das ist natürlich nicht gut, weil Fasten über eine längere Dauer zu einer Unterversorgung führt." Und eine unausgewogene Ernährung kann laut Böttcher auch zu Muskelschwund führen.
Ist die Abnehmspritze einfach nur bequem?
Schon länger wird diskutiert, ob eine Abnehmspritze überhaupt notwendig ist. Kritikerinnen und Kritiker argumentieren, sie sei ein (zu) bequemer Weg zum Abnehmen – gesunde Ernährung und Bewegung müssten schließlich ausreichen.
Markus Böttcher hat da eine ganz klare Haltung: "Ein adipöser Mensch ist kein fauler Mensch, sondern jemand, der erkrankt ist." Als mögliche Auslöser nennt er kindheitliche Traumata, elterliche Fehlsteuerungen, hormonelle Einflüsse oder genetische Faktoren.
Wie im Fall von Alina kann die Abnehmspritze daher sehr befreiend wirken – fast wie eine Heilung. Deshalb spricht sich Böttcher dafür aus, dass Krankenkassen die Kosten übernehmen sollten: "Von der Logik her kann eine Krankenkasse langfristig gar nicht begründen, warum sie einem schwerst adipösen Menschen das verwehrt", so der Mediziner. Denn die betroffenen Personen hätten ein hohes Risiko, nicht alt zu werden und ein hohes Risiko, an Folgeerkrankungen zu leiden.
"Es gibt momentan einfach keine gute Begründung, die dafür spricht, ihnen das Medikament nicht zu bezahlen."
Alina hofft, dass sie die Spritze in etwa zwei Jahren nicht mehr nehmen muss. Ihr Ziel ist es nämlich, unter 100 Kilogramm zu wiegen. Vor dem Absetzen der Spritze hat sie allerdings auch Angst – sie befürchtet, dass dann der sogenannte Food Noise zurückkehrt, also das ständige Denken ans Essen. "Aber bis ich das Präparat ausschleichen lasse, versuche ich, an mir zu arbeiten – an meinen Routinen, meinem Essverhalten, meinen Emotionen. Damit ich mich dann selbst kontrollieren kann."
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