Die Wirtschaft kriselt, die Preise bleiben hoch – das belastet viele finanziell und sorgt für Stress. Doch Geldsorgen sind ein Tabu, daher sprechen wir meistens nicht darüber. Dabei könnte genau das helfen, sagt Psychotherapeut Bastian Willenborg.

Es ist womöglich nicht die Frage, die wir erwarten, wenn wir zum Psychotherapeuten gehen oder eine Psychotherapie beginnen. Doch Bastian Willenborg – Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und psychosomatische Medizin – findet sie wichtig, unabhängig von dem Problem, das eine Patientin oder ein Patient hat, zu stellen: Wie sind Sie finanziell aufgestellt?

Geldsorgen können zur psychischen Belastung werden

Denn Geld und damit die Frage, was wir uns leisten können und wollen, gehört zu unserem Leben. Außerdem können Geldsorgen eine große Belastung darstellen, sagt Willenborg. Vor allem für Menschen, die längerfristig krankgeschrieben sind oder aus dem Krankengeld herausfallen.

"Geld ist ein großer Faktor, unter dem vor allem Menschen mit psychischen Erkrankungen leiden, zum Beispiel weil sie gar nicht dauerhaft arbeiten können."
Bastian Willenborg, Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und psychosomatische Medizin

In der Psychotherapie gehe es darum, über den Stress, den Geld auslöst, zu sprechen und zu überprüfen, wie realistisch die Sorgen und Ängste seien. "Vor allem im Rahmen von depressiven Erkrankungen kommt die Überzeugung, man habe zu wenig oder würde verarmen, recht häufig vor", erklärt Willeborg. In der Psychotherapie oder Psychiatrie gehe es darum, diese Sorge mit der Realität abzugleichen.

Stellt sich heraus, dass ein Patient oder eine Patientin die Miete nicht zahlen kann oder sich bereits verschuldet hat, können der Sozialdienst oder eine Schuldnerberatung zur Hilfe gezogen werden, ergänzt Willenborg. Dabei gehe es auch darum, Betroffenen aufzuzeigen, dass es Wege und Lösungen für ihre Situation gibt.

Ob wir genug haben, ist auch ein Gefühl

Bastian Willenborg begegnen aber auch Menschen, die sich massiv um ihre Existenz sorgen, obwohl genug Geld auf dem Konto ist. Hier gelte es sich nicht so sehr zu fragen, wie viel Geld die Person braucht, um sich sicher zu fühlen. Denn offensichtlich fühlt sie sich unsicher, auch wenn viel oder objektiv genug Geld da ist, sagt der Psychotherapeut. In dem Fall sei es sinnvoller, sich die Angst bewusst zu machen und Strategien zu entwickeln, mit ihr umzugehen.

"Ob 15.000 oder 50.000 Euro im Jahr – bei manchen Menschen ändert der Betrag nichts an dem Gefühl, dass es nicht reicht."
Bastian Willenborg, Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und psychosomatische Medizin

Nicht zuletzt kann es hilfreich sein, zu schauen, wie in der Ursprungsfamilie mit Geld umgegangen wurde, so Willenborg. Denn jede*r von uns habe unbewusst Überzeugungen über Geld gesammelt. Und egal ob wir Geld horten, zu Impulskäufen neigen oder eine diffuse Angst vor Geld haben, dieser eine Tipp von Bastian Willenborg kann ein erster Schritt, sich mit dem Thema Geld anzunähern: "Einmal pro Woche aufs Konto zu schauen. So lernen wir, unsere Finanzen realistisch einzuschätzen."

Und wenn wir den Blick aufs Konto Woche um Woche aufschieben, kann genau das ein Hinweis darauf sein, dass wir uns dem Thema Geld – gegebenenfalls mit professioneller Unterstützung – stellen sollten.

Shownotes
Konto im Minus
Wir sollten uns trauen, über Geldsorgen zu sprechen
vom 23. November 2025
Moderation: 
Nik Potthoff
Gesprächspartner: 
Bastian Willenborg, Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und psychosomatische Medizin