In Pflegeeinrichtungen muss das Personal nun entweder vollständig geimpft oder genesen sein oder ausweisen, dass eine Impfung nicht möglich ist. Allen anderen drohen Bußgelder, mitunter sogar die Entlassung. Seija Knorr-Köning ist Krankenpflegerin, sie findet: Die Teil-Impfpflicht setze an falscher Stelle an.

Seija Knorr-Köning ist Gesundheits- und Krankenpflegerin auf einer Intensivstation in München. Auf ihrer Station hätten nach der Ankündigung der Teil-Impfpflicht bereits zwei Fachkräfte gekündigt, einige wenige haben sich doch noch impfen lassen. Die meisten waren allerdings bereits vollständig geimpft, doch auch bei vielen von ihnen sorge die Maßnahme für Unmut.

"Mit der Einführung der Teil-Impfpflicht haben wir in der Debatte um die allgemeine Impfpflicht nur noch mehr Zeit verloren."
Seija Knorr-Köning, Gesundheits-und Krankenpflegerin in München

Seija Knorr-Köning kann das gut verstehen. Sie findet, dass die Teil-Impfpflicht unnötig Druck in den Einrichtungen aufbaue. Außerdem sei die Impfquote unter dem Personal in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen generell höher als in der Gesamtbevölkerung. Durch die Teil-Impfpflicht entstehe aber ein anderer Eindruck. Sinnvoll wäre gewesen, direkt über eine allgemeine Impfpflicht zu debattieren, findet Seija.

Nicht nur Pflegekräfte von der Teil-Impfpflicht betroffen

Was ihrer Meinung nach oft vergessen oder falsch dargestellt wird: In den Einrichtungen, die von der Teil-Impfpflicht betroffen seien, arbeiten nicht nur Pflegekräfte, sondern ganz unterschiedliche Berufsgruppen, wie etwa Physiotherapeutinnen, Reinigungskräfte oder Küchenpersonal – dennoch werde vor allem über den Impfstatus der Pflegekräfte diskutiert.

"Letztendlich sind wir diejenigen, die an vorderster Pandemie-Front kämpfen. Anfangs haben alle noch geklatscht, jetzt werden die Pflegekräfte angeprangert, weil sie angeblich ungeimpft sind."
Seija Knorr-Köning, Gesundheits-und Krankenpflegerin in München

Seija empfindet es als verletzend, dass viele Menschen den Pflegekräften vorwerfen würden, ihre Verwandtschaft in den Pflegeeinrichtungen in Gefahr zu bringen. Denn, so betont sie: Neben der hohen Impfquote seien die Patienten vor allem auch dadurch geschützt, dass das Personal zu jeder Zeit Schutzkleidung trage und geschult darin sei, sich möglichst risikoarm zu verhalten.

Portrait von Seija Knorr-Köning
© von: privat
Seija Knorr-Köning kann verstehen, dass sich einige ihrer Kolleg*innen durch die Teil-Impfpflicht verletzt fühlen

Teil-Impfpflicht wird wohl eher wenig nutzen

Auf das Infektionsgeschehen werde sich die Einführung der Teil-Impfpflicht wohl wenig auswirken, sagt auch Christina Sartori aus den Deutschlandfunk Nova Wissensnachrichten. Eben, weil die Impfquote unter dem Gesundheits- und Pflegepersonal bereits so hoch sei. Einen deutlichen Effekt hätte wohl nur eine generelle Impfpflicht.

Christina Sartori, Deutschlandfunk Nova Wissensnachrichten
"Wenn das gesamte Personal in Gesundheitseinrichtungen geimpft ist, verringert das schon das Risiko für Patienten. Doch das alleine reicht nicht. Denn auch Geimpfte können andere anstecken."

Neben Impfungen müssten vor allem auch Tests durchgeführt werden, um das Risiko für besonders gefährdete Menschen tatsächlich einzudämmen, sagt Christina. Am meisten würde es jedoch helfen, wenn es in der gesamten Bevölkerung weniger Neuinfektionen geben würde – und da reiche eine Teil-Impfpflicht eben nicht aus.

Shownotes
Corona-Politik
Krankenpflegerin: "Durch die Teil-Impfpflicht entsteht ein falscher Eindruck"
vom 16. März 2022
Moderatorin: 
Rahel Klein
Gesprächspartnerin: 
Seija Knorr-Köning, Gesundheits-und Krankenpflegerin