Caro stört es nicht, wenn es mal chaotisch ist. Ihre WG hat ihr jedoch einen anderen Blick für Ordnung beigebracht. Der Austausch über das eigene Ordnungsempfinden ist wichtig, sagt Psychologin Annegret Wolf. Unordnung kann aber auch Kreativität fördern.
Das Geschirr stapelt sich in der Spüle, der Schreibtisch ist voll mit Zetteln und überall liegen Klamotten rum. Manche Menschen kommen damit sehr gut klar. Dazu gehört auch Caro, 28, aus Freiburg. Sie wohnt in einer WG. Und dort ist Ordnung oft ein Thema. Denn bei Caro herrscht – wie sie sagt – meist ein kreatives Chaos.
Eltern unterschiedliche Ordnungstypen
Caro sagt, dass sie da eher nach ihrer Mutter kommt. Ihr Vater ist dagegen eher der ordnungsliebende Typ. Bei ihm hieß es früher immer, dass alles "klar Schiff" gemacht werden muss. Als Caro von zu Hause ausgezogen ist, sah es dann auch oft sehr chaotisch bei ihr aus. Wäsche und andere Dinge haben sich über Wochen angehäuft – bis Caro dann irgendwann alles radikal aufgeräumt und sauber gemacht hat.
Anders wurde es dann durch Caros WG-Leben. Ihre Mitbewohner*innen hat zum Beispiel gestört, dass Caros Sachen in den Gemeinschaftsräumen rumliegen. Weil Caro ein harmonisches Miteinander in ihrer WG wichtig ist, gab es Kompromisse. Auch wenn es seine Zeit gebraucht hat, die zu verinnerlichen, sagt sie: "Da muss ich mich wirklich konzentrieren und sagen, jetzt gehe ich hier ein Mal durch und schaue, was gehört hier hin und was ist eigentlich am falschen Ort."
"Was ich in der Zeit in den WGs gelernt habe, ist, Dinge auch zu sehen."
Unterschiedliche Toleranz für Chaos
Caro weiß inzwischen Ordnung mehr und mehr zu schätzen. Es tut ihr gut tut zu wissen, dass Sachen einen bestimmten Platz haben und sie nicht lange danach suchen muss. Und sie kann auch den Ordnungssinn ihres Vater inzwischen besser nachvollziehen.
Die Forschung zeigt: Es ist Typsache, ob wir Unordnung überhaupt wahrnehmen. Sebastian Markett ist Molekularpsychologe und forscht dazu an der Humboldt Universität in Berlin. Mithilfe von Hirnscans konnten er und sein Team diese unterschiedlichen Ordnungstypen erkennen.
"Es gibt Leute, die sind von Natur aus sehr auf Ordnung aus. Wenn es ein bisschen unordentlich wird, dann wird es denen ziemlich schnell zu viel."
Während also die einen schnell sagen, dass es ihnen zu unordentlich ist, brauchen andere ein größeres Chaos, bis sie an diesen Punkt kommen.
Das Bedürfnis nach Ordnung und Unordnung ist aber auch nicht immer gleich. Es hängt auch davon ab, welche Aufgaben zu erledigen sind. "Wenn ich jetzt zum Beispiel an meinem Schreibtisch sitze und der schön aufgeräumt ist, dann ist das eine sehr saubere Umgebung. Und wenn ich über einen längeren Zeitraum konzentriert an etwas arbeiten möchte, dann ist es perfekt, wenn ich eine saubere und aufgeräumte Umgebung habe", sagt Sebastian Markett.
Anders sieht es dem Molekularpsychologen zufolge aus, wenn jemand eher in einem kreativen Bereich arbeitet. Da kann Chaos durchaus helfen.
"Wenn ich eher im kreativen Bereich unterwegs bin, dann kann es ein großer Vorteil sein, wenn man das kreative Chaos um sich herum hat."
Sebastian Markett erklärt das so: Unser Gehirn hat in einem chaotischen Umfeld nicht mehr diesen einen Anker. "Es ist so viel los, es liegt so viel herum und überall könnte die Aufmerksamkeit hingehen, aber letztendlich geht sie nirgendwo konkret hin. Und das ist die perfekte Möglichkeit für mein Gehirn, in einen nach innen gerichteten Zustand zu gehen – und der ist super mit Kreativität verbunden."
Auch die Psychologin Annegret Wolf sagt, dass das kreative Chaos kein Mythos ist, was auch Studien belegen: "Wenn man an einem unaufgeräumten Schreibtisch sitzt, kann man durchaus unkonventionellere Ideen generieren." Gleichzeitig sagt sie, dass man sich aber trotzdem noch wohlfühlen muss, sonst ist kreativ sein auch eher schwierig.
Warum ist Menschen Ordnung wichtig?
Ordnung ist in der Gesellschaft durchaus angesehen. Deshalb räumen einige beispielsweise noch schnell die Wohnung auf, bevor etwa Besuch kommt. Annegret Wolf sagt, dass es dazu verschiedene Hypothesen gibt. Eine ist, dass uns Ordnung ein Gefühl von Sicherheit gibt. Und auch schon in der Steinzeit sei es von Vorteil gewesen, ordentlich zu sein, so die Psychologin.
"Wenn ich früher vom Säbelzahntiger bedroht wurde und nicht genau wusste, wo meine Keule ist, da hat man dann auch verloren."
Annegret Wolf findet, dass Selbstreflexion beim Thema Ordnung auch wichtig ist: "Also zu gucken, was bedeutet Ordnung für mich eigentlich. Und was heißt es, wenn es für meine Verhältnisse nicht aufgeräumt ist. Warum macht mich das wütend oder traurig."
"Ich komm nach Hause und der Müll ist nicht runtergebracht. Da geht es nicht um den Müll. Da geht es darum, dass ich mich nicht wertgeschätzt fühle in dem was mir wichtig ist."
Gerade im Zusammenleben mit anderen sollte ein Austausch über das Thema Ordnung stattfinden, so die Psychologin. Auch ein Perspektivwechsel ist wichtig, um die Sichtweise des anderen zu verstehen. Und: Leute, die ständig ein aufgeräumtes Zuhause anstreben, könnten auch mal versuchen, ein bisschen Druck rauszunehmen. "Es ist ja auch anstrengend, ständig alles blitzblank zu halten. Da kann man sich auch ein bisschen Gelassenheit abschauen", sagt sie.
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