Ein epileptischer Anfall ist nicht zwingend ein Drama. Unwissen und Aufregung können jedoch dazu führen, dass er schlimmer wird als nötig, sagt Sarah Bischof. Sie spricht aus Erfahrung.
Obwohl viele Menschen von Epilepsie betroffen sind, wird die Krankheit tabuisiert und stigmatisiert, sagt Sarah Bischof Jørgensen. Das möchte sie ändern und hat auch deswegen mit uns gesprochen. Sarah ist im Alter von 20 Jahren an Grand-Mal-Epilepsie erkrankt.
Über ihr Leben mit Epilepsie hat sie "Panthertage" geschrieben. Eine unterhaltsamen Szene aus dem Buch, in der eine Beraterin des Arbeitsamtes sie als orientierungslos klassifizieren möchte, gibt es als Lesung im Video.
"Irgendwann bin ich morgens aufgewacht und kann rekonstruieren, dass ich nachts meinen ersten großen Anfall gehabt haben muss. Das wusste ich damals nicht."
Zunächst berichtet Sarah, wie es im Jahr 2004 mit ihrer Epilepsie anfing. Sie hatte mehrfach Bewusstseinsaussetzer, Absencen nennt man die im Zusammenhang mit der Krankheit. Sie hatte sich während des Anfalls eingenässt und Schmerzen am ganzen Körper. Vom Kopf her spürte sie eine gewisse Müdigkeit und war ein bisschen verwirrt, ein Zustand, den sie sich nicht erklären konnte. Sie fühlte sich überfordert und ratlos, schämte sich und versuchte, den Vorfall zu verdrängen und sich nicht weiter damit zu beschäftigen. In der Folge hatte sie mehrere Anfälle und irgendwann auch in Anwesenheit ihres damaligen Freundes.
Wissensmangel verschlimmert die Diagnose
Nach ärztlichen Untersuchungen kam dann irgendwann die Epilepsie-Diagnose. Für sie war es neu, dass man die Krankheit einfach so bekommen kann. Sarah kannte bis dahin nur den Namen und hatte sofort Bilder von fallenden und zuckenden Menschen im Kopf, die Schaum vor dem Mund haben. Sie wusste nicht, wie komplex das Krankheitsbild ist und dass es viele verschiedene Anfallsformen gibt.
Sie glaubt, wenn sie mehr gewusst hätte, wären die ersten Jahre mit der Diagnose nicht annähernd so schlimm gewesen. Ihr war bekannt, dass Menschen mit Diabetes ein ganz wunderbares Leben führen können. Über Epilepsie wusste sie das nicht.
"Ich hatte von Anfang das Gefühl, da redet man nicht drüber, darüber weiß man nichts."
Sarah sagt, sie merkt vor einem Anfall nichts. Eine sogenannte Aura hat sie leider nicht. Manche Menschen nehmen nämlich vor einem Anfall variierende Anzeichen wahr. Bei manchen kribbelt es im Arm oder sie haben ein bestimmtes Gefühl im Bauch. Wenn sie das spüren, kündigt sich ein Anfall an. Ein Vorteil, weil sie sich dann hinlegen oder jemandem Bescheid sagen können.
Faktoren, die Sarah schwächen, erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass sie einen epileptischen Anfall hat: größerer Belastung beispielsweise oder eine Krankheit. Bei ihr dauern die Anfälle manchmal 30 Sekunden, manchmal bis zu drei Minuten. Sarah ist überzeugt, dass sich diese Zeit für Außenstehende extrem lang anfühlen kann.
Umfeld hat gut reagiert
Auf ihre Epilepsie haben ihre Familie und ihre engsten Freunde sehr gut reagiert. Niemand aus dieser Gruppe habe sie bevormundet oder ihr zu viel reingeredet. Allerdings sind viele Freunde einfach verschwunden – Sarah vermutet wegen Überforderung. Heute geht sie mit ihrer Erkrankung komplett offen um – wenn diese in irgendeiner Weise relevant ist.
Sie sagt, dass sich schon ein bisschen was getan hat, dass die Erkrankung besser in der Öffentlichkeit sichtbar ist. Das Internet und die soziale Netzwerke tragen dazu bei, findet sie. Dennoch beobachtet Sarah, dass viele Menschen ihre Epilepsie verheimlichen, aus Angst vor sozialen und beruflichen Reaktionen zum Beispiel. Sarah möchte also Betroffene erreichen, ihnen Mut machen. Nicht-Betroffene könnten so aufmerksamer werden und entsprechend reagieren.
Nach dem Anfall – Ruhe bewahren
Im Fall eines Anfalls wünscht sich Sarah, dass Umstehende ihn als solchen erkennen und allgemein das Krankheitsbild besser verstehen. Die Idee, 'das könnte ein epileptischer Anfall sein', sollten mehr Menschen im Kopf haben, findet sie. In so einem Fall sollte vor allem Ruhe bewahrt werden.
Nebenstehende sollten gucken, wie die Person gefallen ist:
- Liegt sie an der Straße?
- Liegt sie auf der Straße?
- Sind gefährliche Gegenstände in der Nähe?
Wenn keine Gefahr droht, sollte man die Epileptikerin oder den Epileptiker weder anfassen, noch festhalten oder gar fixieren. Es sei denn, es ist Gefahr im Verzug.
"Der Körper setzt unheimlich starke Kräfte frei. Und der Körper hat in diesem Moment keinen Schutzmechanismus."
Sarah sagt, man solle einem Epileptiker auch während eines Anfalls auf keinen Fall etwas zwischen die Zähne schieben. Damit gefährde man sich selbst, und im schlimmsten Fall bricht man der betroffenen Person den Kiefer. Auch einen Krankenwagen müssen Beistehende nicht zwingend rufen – nur falls der Anfall länger als fünf Minuten dauert. Deswegen ist es gut, sofort auf die Uhr zu schauen, wenn jemand einen epileptischen Anfall hat.
Ziel müsse es sein, Kenntnisse über die erkrankte Person zu erlangen, sie anzusprechen, im Portemonnaie nach einem Notfallkontakt zu suchen und diesen im Zweifelsfall anzurufen. Eventuell kann es auch erforderlich sein, die gefallene Person zu wecken. Sarah hat einen Großteil ihrer Anfälle inzwischen im Schlaf, deswegen kann sie nicht stürzen. Sie hat außerdem besondere Gewohnheiten, sich zu schützen.
"Ich gehe immer nicht so nah an der Straße. Ich stehe wirklich mit mehr als doppeltem Sicherheitsabstand an Gleisen oder Gewässern."