Der Brand im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos hat den Druck auf die EU-Kommission erhöht, sagt Deutschlandfunk-Korrespondent Paul Vorreiter. Die Situation der geflüchteten Menschen auf der griechischen Insel mache klar, wie sehr eine europäische Asylpolitik fehlt.

Die EU-Kommission möchte Griechenland beim Bau eines neue Flüchtlingslagers auf Lesbos helfen. Geplant ist, dass die EU das neue Lager mitverwaltet, in der Hoffnung, eine menschenwürdigere Versorgung für die geflüchteten Menschen sicherzustellen.

Bis dahin wird es aber noch Monate dauern. Und das eigentliche Problem sei damit auch nicht gelöst, meint unser Korrespondent Paul Vorreiter: Nach wie vor kämen Menschen über das Mittelmeer und die Türkei ins Land, und nach wie vor dauere es zu lange, bis Asylanträge in Griechenland bearbeitet würden.

"Das eigentliche Problem ist damit nicht gelöst, denn die Bearbeitung der Asylanträge in Griechenland dauert immer noch viel zu lange."
Paul Vorreiter, Deutschlandfunk-Korrespondent in Brüssel

Zwar hat die EU-Kommission in der Vergangenheit versucht zu helfen - mit rund drei Milliarden Euro, unter anderem für eine bessere Unterbringung der Geflüchteten. Doch an den menschenunwürdigen Zuständen im Lager Moria habe das nichts geändert. Der EU fehlt eine gemeinsame Asylpolitik, so Korrespondent Paul Vorreiter. Das werde nun wieder deutlich.

"Das, was die EU-Kommission machen kann, versucht sie auszuschöpfen. Was das langfristige Problem ist: Es gibt keine wirkliche europäische Asylpolitik."
Paul Vorreiter, Deutschlandfunk-Korrespondent in Brüssel

Man hantiere in Brüssel "mit den sogenannten Ad-hoc-Lösungen", das heißt, im Notfall sammle man Mitgliedsstaaten zusammen, die schnell ihre Hilfe bereitstellen, indem sie beispielsweise Flüchtlinge aus überfüllten Lagern oder auf See Gerettete aufnehmen.

Doch von den insgesamt 27 EU-Mitgliedsstaaten reagierten die wenigsten auf diese Ad-hoc-Lösungen. Länder, die im Krisenfall häufig schon geflüchtete Menschen aufgenommen haben, sind Luxemburg, Frankreich und Deutschland, so unser Korrespondent.

Notwendige Reform der EU-Asylpolitik

In Hinblick auf die aktuelle Situation auf Lesbos scheint der Druck nun allerdings zu steigen, sagt Paul Vorreiter. Ein Treffen der EU-Kommission, bei dem es um die Reform der europäischen Asyl- und Migrationspolitik gehen soll, wurde vor Kurzem um eine Woche auf der 23. September vorverlegt.

Treffen der EU-Kommission am 23. September

Was genau die Pläne der EU-Kommission sind, ist zum Großteil noch unbekannt. Innenkommissarin Ylva Johansson und der Vizepräsident der Kommission, Margaritis Schinas, haben allerdings schon angedeutet, dass es vor allem um einen besseren Schutz der EU-Außengrenzen, Abkommen mit den Transit- und Herkunftsländern der Geflüchteten und einen Schutz vor illegalen Pushbacks gehen soll.

"Ohne das Ganze vorverurteilen zu wollen, scheint es mir doch eher so, dass der Fokus darauf liegt, die Geflüchteten erst gar nicht nach Europa kommen zu lassen", meint Paul Vorreiter.

Frage nach dauerhaften Verteilung

Bisher waren alle Versuche, eine europäische Asylpolitik zu schaffen, an der Frage der dauerhaften Verteilung der geflüchteten Menschen gescheitert. Hier konnten sich die EU-Staaten über Jahre nicht einigen. Bis es also tatsächlich eine gemeinsame Asylpolitik der EU geben wird, werden noch einige Konflikte ausgetragen und viel Zeit vergehen, vermutet unser Korrespondent.

Shownotes
Korrespondent zur EU-Asylpolitik
Lesbos: "Der Druck, aktiv zu werden, ist riesig"
vom 16. September 2020
Moderatorin: 
Diane Hielscher
Gesprächspartner: 
Paul Vorreiter, Deutschlandfunk-Korrespondent in Brüssel