Wie erkenne ich Falschmeldungen? Über Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit von Nachrichten wurde bereits während des Dreißigjährigen Krieges diskutiert. Es war der erste Medienkrieg Europas. Ein Vortrag des Historikers Daniel Bellingradt.
Drei Flugblätter: eine riesige Geige, deren Klang in ganz Europa zu hören sein soll, ein Narr und jemand, der eindringlich warnt – vor Leichtgläubigkeit, Falschmeldungen, und dem Nachrichtenwesen insgesamt. Die Flugblätter stammen alle aus dem Jahr 1632, mitten im Dreißigjährigen Krieg.
Sie kritisieren die, die Nachrichten schreiben und vermeintlich unfähig sind, Wahres von Falschem zu unterscheiden und sie machen sich lustig über die, die Nachrichten konsumieren und allzu blauäugig alles glauben, was man ihnen sagt.
"Nachrichten werden als Gedichte, als erfundene Geschichten, dargestellt."
Daniel Bellingradt ist Historiker und Kommunikationswissenschaftler. In seinem Vortrag erzählt er anhand dieser Flugblätter, wie groß und weitverbreitet die Debatte über Nachrichtenproduktion und Mediennutzung im frühen 17. Jahrhundert bereits war. In weiten Teilen, so Bellingradt, ähnelt sie verblüffend der heutigen Diskussion um "Fake News" und "Lügenpresse".
Krisen und Informationswert
Das frühe 17. Jahrhundert war reich an Konflikten. Es herrschte Krieg in Europa, die Gräben zwischen Menschen unterschiedlicher religiöser Zugehörigkeiten, Katholiken und Protestanten, waren tief. Zuverlässige Informationen waren in Kriegszeiten besonders wertvoll. Und es gab ein funktionierendes Nachrichtenwesen.
"Vertrauen in die Dynamiken öffentlicher Kommunikation war während des Dreißigjährigen Krieges selten zu finden."
Schon vor der weiten Verbreitung von gedruckten Flugblättern und Zeitungen gab es ein funktionierendes Nachrichtenwesen, so Bellingradt. Mit Pferdekutschen wurden handschriftliche Informationsblätter systematisch verteilt.
Im frühen 17. Jahrhundert nahmen dann gedruckte Flugblätter und Zeitungen zu und wurden schnell und weit verbreitet. Zwar konnten nur wenige lesen, aber die Drucke wurden gemeinsam betrachtet und von einer Person vorgelesen, die es konnte.
"Die Echos dieser Nachrichtenkritik aus dem 17. Jahrhundert sind im 21. immer dann zu hören, wenn wir von 'Lügenpresse', 'Fake News' oder 'alternativen Fakten' sprechen."
Neben erstaunlich zuverlässigen Informationen gab es auch Sensationsmeldungen, Falschmeldungen und manipulierte Nachrichten. Die Nachrichtenproduzenten wurden in ihrer Glaubwürdigkeit grundsätzlich und fundamental in Frage gestellt.
Das Vertrauen in Publikationen war gering. Zugleich wurde darüber diskutiert, wie Nachrichten zu konsumieren seien und wie naiv und leichtgläubig viele waren. Das Echo dieser Diskussionen, so Bellingradt, reicht bis ins 21. Jahrhundert hinein.
Daniel Bellingradt ist Gastprofessor am Institut für Europäische Kulturgeschichte der Universität Augsburg. Sein Vortrag hat den Titel "Von Geigen, Narren und Warnern. Zur Kritik am frühneuzeitlichen Nachrichtenwesen während des Dreißigjährigen Krieges". Er hat ihn am 31.01.2024 in der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel gehalten.