Es gibt nur wenige Orte auf der Welt, wo die Luft noch schlechter ist, als in Neu-Delhi. Die indische Politik schiebt die Verantwortung von sich und dass Hunderttausende wegen schlechter Luftwerte sterben, wird mindestens in Frage gestellt. Zumindest gibt es Überlegungen, wie die Luft verbessert werden könnte.

Die Menschen in der indischen Region Delhi – zu der auch die Hauptstadt Neu-Delhi zählt – kennen keinen Tag ohne schlechte Luft. Wenn sie morgens aufstehen, checken sie zuerst in einer App, wie hoch die Luftverschmutzung ist.

Luftwerte-Apps zeigen an: "extrem gesundheitsgefährdend"

Unsere Korrespondentin in Neu-Delhi, Silke Dittrich, berichtet, dass sie heute Morgen auch auf die App geschaut hat: Darauf stand, die Luft sei "sehr ungesund". Damit habe sie einen vergleichsweise guten Tag berichtet, sagt Silke Dittrich, denn meist zeige die App die Werte "gefährlich", oder "extrem gesundheitsgefährdend" an.

Luftfilter im Büro

In ihrem Büro hat unsere Korrespondentin einen Luftfilter, der die Luft reinigt. Einerseits gut für sie. Auf der anderen Seite hat sie deswegen aber auch ein schlechtes Gewissen, da dieser Luftfilter viel Strom verbraucht und Strom zumeist in Indien durch Kohle gewonnen werde.

"Der Luftfilter macht mir ein schlechtes Gewissen. Das ist ein Teufelskreis. Ich hab gute Luft, sorge damit draußen aber quasi wieder für schlechte Luft."
Silke Dittrich, Deutschlandfunk-Korrespondentin in Neu-Delhi, Indien

Wenn Silke Dittrich nach draußen geht, zieht sie eine Maske auf. Davon gebe es ziemlich viele, sogar schön designete, die viel Geld kosten. Die Mehrheit der Bevölkerung trägt diese Masken allerdings nicht.

Bars bieten reinen Sauerstoff gegen Geld

In Delhi haben aber inzwischen zahlreiche Oxybars eröffnet. Das sind Läden, in denen man für umgerechnet fünf Euro zwischen 15 und 20 Minuten reinen Sauerstoff atmen kann. Ein fragwürdiger Trend, dessen Sinn Ärzte öffentlich bezweifeln, sagt Silke Dittrich.

Eine Bar in Delhi, in der Kunden gegen Geld reinen Sauerstoff atmen können.
© imago | Xinhua
Eine Bar in Delhi, in der Kunden gegen Geld reinen Sauerstoff atmen können.

Politik in Delhi schweigt zu Luftverschmutzung

Woher der Smog und die schlechten Luftwerte in Delhi kommen, ist bekannt. Verantwortlich sind vor allem Abgase von Autos und Fabriken, aufgewirbelter Staub von Baustellen und auch Strom aus Kohle. Hinzu kommt, dass vorwiegend im Herbst viele Bauern ihre Erntereste auf den Feldern verbrennen, obwohl das eigentlich verboten ist.

Zwar hat der Ministerpräsident von Delhi vor kurzem gesagt: "Das ist schlimmer als eine Gaskammer." Die meisten Politiker schauen aber lieber weg, oder reden das Problem klein. Häufig werde argumentiert, dass es noch keine indische Studie dazu gebe, die nachweise, dass die schlechten Luftwerte gesundheitsgefährdend sind.

"Ein Politiker aus dem Nachbarstaat von Delhi hat neulich gesagt: Es gebe ja noch gar keine indische Studie, die überhaupt belegt, dass schlechte Luft krank macht."
Silke Dittrich, Deutschlandfunk-Korrespondentin in Neu-Delhi, Indien

Darauf hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) reagiert und gesagt: Wir wünschten, dass Luftverschmutzung die Menschen nicht töten würde, sie tut es faktisch aber. Laut WHO gehen ein Drittel aller Herzinfarkte, Schlaganfälle und Lungenerkrankungen auf die Luftverschmutzung zurück.

Filtersystem aus Luftreinigungstürmen

Ideen, wie die Luft in Indien sauberer werden könnte, gibt es viele. Silke Dittrich hat sich etwa mit einer deutschen Architektin getroffen, die seit zehn Jahren in Delhi lebt. Sie hat zusammen mit ihrem Architektenbüro ein Konzept einwickelt, mit dem die Luft in der Region gereinigt werden könnte. Es basiert auf vier Schritten.

  1. 60 Meter hohe Reinigungstürme
  2. 18 Meter hohe Reinigungs-Hotspots
  3. Filteranlagen auf Autodächern
  4. Drohnen, die mit den Reinigungstürmen korrespondieren

Luftreinigungs-Projekt Aura besteht aus vier Systemen

Das Projekt nennt sich Aura und hat zum Ziel, den Bewohnern von Delhi saubere Luft zum atmen zu bieten. Das erste System besteht aus 60 Meter hohen Türmen, die optisch aussehen wie große Skulpturen. Sie können aus 360 Grad verunreinigte Luft ansaugen, in ihrem Inneren reinigen und nach oben sauber ausstoßen. Laut Webseite könnten allein damit täglich 30 Millionen Kubikmeter Luft gereinigt werden.

Die kleineren 18 Meter hohen Türme machen im Prinzip dasselbe, haben nur eine geringere Reichweite von circa einem Quadratkilometer, innerhalb dessen sie die Luft reinigen können. Diese könnten als Hotspots in der ganzen Stadt verteilt werden, beispielsweise in Parks.

Das dritte System berücksichtigt die Tatsache, dass täglich unglaublich viele Autos in Delhi unterwegs sind. Die Befestigung für das Autodach fungiere als eine Art Bienenstock von Mikro-Luftreinigern. Der Schlüssel sei, dass sich die Autos bewegen.

Als vierten Baustein haben die Architekten ein Netzwerk aus Drohnen konzipiert, die durch Delhi fliegen. Diese Aura-Falken-Drohnen sind mit den Reinigungstürmen verbunden und können sich durch Live-Updates der Schadstoffwerte durch die Stadt bewegen.

Viele Pläne, Realisierung aber unrealistisch

So vielversprechend das klingt, und so sehr die Macher versuchen, die Regierung von ihrem Projekt zu überzeugen, Silke Dittrich glaubt nicht daran, dass Ideen wie diese bald in die Realität umgesetzt werden. Zumindest nicht in Delhi, wo die Politik das Luftproblem als solches nicht einmal klar benennt und offenbar auch keinen großen Handlungsdruck sieht.

Shownotes
Indien
Was gegen die schlechte Luft in Neu-Delhi helfen könnte
vom 09. Dezember 2019
Moderator: 
Christian Schmitt
Gesprächspartnerin: 
Silke Dittrich, Deutschlandfunk-Korrespondentin in Neu-Delhi, Indien