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Von Halleluja zum Schleifgeräusch: Die Texte in den US-Charts sind systematisch düsterer geworden. Zu diesem Ergebnis kommt eine amerikanische Studie. Wir haben sie uns angesehen.

Die Texte in der Popmusik haben sich in den vergangenen knapp 60 Jahren systematisch verändert – zum Schlechten, zum Negativen hin. Das haben kommen Kathleen Napier und Lior Shamir von der Lawrence Technological University Michigan herausgefunden. Mit Hilfe von Software haben sie die Texte der Jahres-US-Top 100 zwischen 1951 und 2016 ausgewertet. Das Journal of Popular Music Studies hat die Ergebnisse der beiden veröffentlich. Nur der Abstract ist kostenlos abrufbar.

In den 50er Jahren waren die Texte demnach noch kaum aggressiv - auch Mitte der 80er gab es eine wenig aggressive Phase. In den 90ern nahm die Aggressivität dann aber stark zu und erreichte 2015 einen Höhepunkt. Bei Freude und Glück war es umgekehrt: Songs, in denen es um diese positiven Gefühle geht, schaffen es heute seltener in die Charts als noch in den 50er oder 70er Jahren.

Musik ohne Text war irrelevant

Deutschlandfunk Nova Reporterin Ilka Knigge hat sich die Studie angesehen. Dem Forschungsteam zu Folge hat sich die Stimmung in den Songs verändert. Sie sei im Verlauf der letzten Jahrzehnte immer weniger freudig und immer aggressiver geworden. Noch dazu äußern sich Gefühle wie Angst und Abneigung häufiger in den Texten als noch vor 60 bis 70 Jahren. Mit nur wenigen Ausnahmen: einer recht angstfreien Phase Ende der 90er zum Beispiel.

In der Studie ging es nur um die Songtexte. Veränderungen bei Melodie und Genre haben die Wissenschaftler nicht berücksichtigt. Eher instrumentale Genres wie Techno und House bleiben außen vor. Hans Nieswandt ist künstlerischer Leiter des Instituts für Populäre Musik an der Folkwang Universität Essen. Er sieht vor allem einen Zusammenhang mit dem Auftreten von Rap. Darin enthalten: relativ viel Text in relativ kurzer Zeit.

"Rap ist seit den unschuldigen Anfängen der 70er Jahre doch zu einer ziemlich harten Musik geworden. Ich kritisiere das nicht, aber die Dominanz von Rap spielt sicher eine große Rolle."
Hans Nieswandt, Institut für Populäre Musik, Folkwang Universität der Künste, künstlerischer Leiter

Die Forscher haben die Lyrics mithilfe des Tone-Analyzers ausgewertet. Dieses Tool hat die Worte und Sätze der Songs nach Stimmungen kategorisiert. Einbezogen wurden dabei die Songs der Billboard Top 100 der Jahre 1950 bis 2015, also die Songs der amerikanischen Charts. Die 50er mit zum Beispiel "Rock around the clock" sind laut der Studie eine Phase der Freude. Im Jahr 2015 wird dann ein Peak der Aggressivität der Texte erreicht. Da waren zum Beispiel Songs wie "Take me to church" von Hozier in den Charts. Der Text ist insgesamt recht düster. Frei übersetzt enthält er Zeilen wie: 

Die Sonntage werden immer düsterer. 
Jede Woche gibt es ein neues Gift.
Wir wurden verdorben geboren.
Ich werde dir meine Sünden beichten und du kannst dein Messer schärfen.

Gleichzeitig war aber auch Mark Ronson featuring Bruno Mars mit "Uptown funk" weit oben in den Top 100. Mit diesem Text und Textzeilen wie:

Girls hit your hallelujah (whoo)
Cause uptown funk gon' give it to you

Optimismus als Ausnahme

Die positiven Lyrics sind also auch 2015 nicht verschwunden, die agressiven Texte dominieren nur die Charts. Da die US-amerikanische die hiesige Musikkultur recht deutlich prägt, sind die Ergebnisse der Studie wohl zumindest teilweise auch auf Deutschland übertragbar. Viele der Songs, die in den USA in die Charts kommen, sind auch hierzulande später Hits. Schon möglich, das die meisten eher düster traurig sind. Das deckt sich mit der Annahme Hans Nieswandts, dass Optimismus inzwischen eigentlich zur Ausnahme geworden ist.

"In den 50er bis 80er, teilweise auch noch in den 90ern hat man eigentlich mit Optimismus in die Zukunft geschaut. Das ist dem Menschheitskollektiv ein bisschen abhanden gekommen. Kaum noch jemand denkt: Die Zukunft, das wird super!"
Hans Nieswandt, Institut für Populäre Musik, Folkwang Universität der Künste, künstlerischer Leiter

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  • Moderator: Ralph Günther
  • GEsprächspartnerin: Ilka Knigge, Deutschlandfunk-Nova-Reporterin