In Marokko halten die Proteste gegen sexuelle Belästigung von Studentinnen an. Unter #metooUniv schreiben Betroffene, wie Professoren und Lehrer ihre Macht missbraucht und sie sexuell genötigt haben sollen. Fünf Professoren stehen jetzt vor Gericht.
Für viele Studentinnen an marokkanischen Hochschulen wurde die Uni zu einem Ort der sexuellen Belästigung und des Machtmissbrauchs. Professoren an den Universitäten in Settat, Oujda und Tanger sollen Studentinnen genötigt haben, mit ihnen Sex zu haben – im Austausch würden sie gute Noten bekommen.
Gegen fünf der Beschuldigten laufen derzeit die Verfahren vor Gericht. Insgesamt elf betroffene Studentinnen haben gegen sie ausgesagt. Zwei von ihnen treten in dem Verfahren als Klägerinnen auf. Vorher sollen die Angeklagten versucht haben, die Betroffenen einzuschüchtern, sagt Rechtsanwältin Meriem Jamal Idrissi, die die beiden Klägerinnen vertritt.
Meistens bleiben Strafen aus
Dass es Fälle der sexuellen Belästigung überhaupt vor Gericht schaffen, passiert selten, erklärt Aktivistin Karima Nadir von der Frauenrechtsorganisation "Morocan Outlaws". Oft würde sie nach ein paar Wochen nicht mehr im Blick der Öffentlichkeit sein – obwohl Vorwürfe der sexuellen Belästigung durch Professoren und Lehrer in Marokko immer wieder laut werden.
"Es ist ein Problem der gesamten marokkanischen Gesellschaft, die sexistisch ist. Die alles erlaubt und rechtfertigt, was Männer tun und Frauen für alles Schlechte verantwortlich machen – insbesondere für das, was ihnen selbst widerfährt."
Im aktuellen Fall ist es anders: Seitdem die Anklagen im Herbst und Winter 2021 gegen die Professoren der drei Universitäten laut wurden, spricht Marokko über das Thema, Studentinnen protestieren auf den Straßen – und sie teilen ihre Geschichten auf Social Media.
Chatnachrichten von Professoren veröffentlicht
Unter dem Hashtag #metooUniv, den die Frauenrechtsorganisation Morocan Outlaws gegründet hat, schreiben etliche Betroffene anonym, wie sie sexuelle Belästigung erfahren haben. Viele von ihnen posten auch Chatnachrichten, die ihnen Professoren und Lehrer geschickt haben.
Es sind Hunderte Geschichten am Tag, die unter dem Hashtag gepostet werden, sagt Karima Nadir. Es bewege sich etwas in Marokko, jetzt müsse die tatsächliche Veränderung folgen – zum Beispiel indem Gesetze auch angewendet werden.
"Es reicht. Es ist Zeit, das mit voller Ernsthaftigkeit anzupacken – damit Schluss ist mit dieser Gewalt gegen Frauen, und damit die Universität ein sicherer Ort wird."
Härtere Strafen, die kaum eingesetzt werden
Seit 2018 gibt es in Marokko härtere Strafen für sexuelle Belästigung, Missbrauch und Misshandlungen. Bis die Strafen eingeführt wurden, hat es Jahre gedauert und viele turbulente Debatten. Trotzdem sind Betroffenen heute nicht besser geschützt. Die Strafen werden nicht umgesetzt, sagt Karima Nadir, und Betroffene eingeschüchtert.
Die Aktivistin kennt Aussagen von Zeug*innen, die davon berichten, wie die Direktor*innen der Hochschulen Betroffene vorher zum Schweigen bringen und sie für die sexuelle Belästigung selbst verantwortlich machen würden. Die Folge: Täter, die denken, sie seinen straflos. Und Betroffene, die sich nicht mehr trauen, etwas zu sagen, so die Aktivistin.