Im Flüchtlingsstreit droht Innenminister Horst Seehofer, seine Strategie notfalls im Alleingang durchzusetzen - per Ministerentscheid. Sollte er das wirklich wagen, steht die Koalition und der Posten Angela Merkels auf dem Spiel, meint die Politikwissenschaftlerin Svenja Krauss.
Er will Geflüchtete, die in anderen Ländern bereits Asyl beantragt haben, schon an der deutschen Grenze abweisen - das ist die Position Horst Seehofers (CSU). Einen Kompromiss mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die in der Frage lieber eine gemeinsame europäische Lösung hätte, gibt es bislang nicht. Nun kündigte Seehofer an, ab Montag selbst zu handeln. Ob er das darf, wollten wir von der Politikwissenschaftlerin Svenja Krauss wissen.
Grenzschutz ist Sache des Innenministers
Sie sagt: Prinzipiell liegt der Grenzschutz schon im Zuständigkeitsbereich des Innenministers. Er könne die Bundespolizei anweisen, bestimmte Menschen nicht ins Land zu lassen, per Ministerentscheid.
"Als Innenminister ist Seehofer zuständig für die Bundespolizei. Das heißt, er kann der Bundespolizei tatsächlich auch die Aufgabe geben, die Grenzen strenger zu kontrollieren."
Gegen die Kanzlerin geht es nicht
Doch ob sich Seehofer im konkreten Fall gegen seine Kanzlerin stellen und durchsetzen kann, das sei die Frage. Die Befugnisse des Ministers beruhen auf dem Ressort-Prinzip, erklärt die Politikwissenschaftlerin. Im Grundgesetz sei zwar festgelegt, dass der Minister zuständig für seinen eigenen Geschäftsbereich ist. Es gebe aber außerdem das Kanzlerprinzip, sagt Krauss. "Das bedeutet, dass die Kanzlerin in dem Fall die Richtlinien der Politik vorgibt." Der Minister dürfe nur innerhalb der Kanzler-Richtlinien handeln.
Die Koalition steht auf dem Spiel
Faktisch kann Seehofer seine Strategie also nicht gegen den Willen der Kanzlerin durchsetzen, meint Krauss. Sollte er das doch versuchen, könnte Merkel ihren Minister nur noch entlassen - weil er dann gegen ihre Richtlinien arbeite.
Seehofer spielt also ein gefährliches Spiel: Nicht nur seinen eigenen Job könnte er verlieren - in der Folge stünde auch die Regierungskoalition infrage. Selbst die Fraktion zwischen CDU und CSU könnte zerbrechen, so Krauss.
"Die CDU kann es sich eigentlich nicht leisten, dass sie sich so von der CSU auf der Nase herumtanzen lässt."
Rückendeckung bekommt die Kanzlerin in der aktuellen Situation von ihrer Partei - der Großteil der CDU-Abgeordneten stehe hinter ihr, meint Krauss. "Der Einzige, der sich nicht hinter Merkel gestellt hat, war Jens Spahn." Auch die SPD und die Grünen würden in der Flüchtlingsfrage der Kanzlerin näherstehen als der CSU. Es sei nicht im Interesse der anderen Parteien, dass die CSU mit ihrem Vorschlag durchkomme.
"Die Ministerpräsidenten und die wichtigen Personen innerhalb der CDU sind auf jeden Fall auch weiterhin auf Merkels Seite."
Es nicht eskalieren lassen
Eine Einschätzung der Lage ist trotzdem auch für die Politikwissenschaftlerin sehr schwierig. "Wir kennen Angela Merkel als eine Person, die sehr kompromissbereit ist, wenn es um den Machterhalt geht", sagt Krauss. Sie nimmt an, dass Merkel alles dafür tun werde, um zu einer Lösung zu kommen - "um das eben nicht eskalieren zu lassen." Trotzdem sei das Ende offen: Sollte es zum Bruch innerhalb der Unionsfraktion kommen, werde sich auch Merkel selbst nur schwer an der Macht halten können.
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