Du kannst den Schmerz Anderer sehen und mitfühlen? Du spürst ihn selbst? Dann bist du möglicherweise ein Mirror-Touch-Synästhet.
Birgit Böhm wusste lange Zeit nicht, dass sie eine Mirror-Touch-Synästhetin ist. Es kam ihr völlig normal vor, dass sie den Schmerz ihres Sohnes sehen und spüren konnte, wenn er sich weh tat. Sie kannte es nicht anders.
Irgendwann bemerkte sie aber, dass sie auch Schmerzen (mit)empfand, wenn sich jemand in ihrem Umfeld verletzte. Durch einen Fernsehbeitrag kam sie darauf, dass sie über eine Mirror-Touch-Synästhesie verfügt. Die Mirror-Touch-Synästhesie ist eine von sechzig bekannten Arten von Synästhesie.
"Ich erlebe es so, dass ich das, was andere Menschen empfinden, in meinem eigenen Körper fühle. Wenn du keine Luft bekommst, kriege auch ich keine Luft. Wenn du eine Panik-Attacke bekommst, bekomme auch ich eine. Mein Gehirn sieht dich und mich als dieselbe Person."
Menschen wie Birgit Böhm sind extrem empathisch. Wer ein Mirror-Touch-Synästhet ist, für den kann der alltägliche Kontakt mit anderen Menschen auch eine Herausforderung oder gar eine Qual ein. Manche dieser Synästheten isolieren sich deshalb und vermeiden Beziehungen zu anderen Personen, soweit ihnen das möglich ist.
Bei Mirror-Touch-Synästheten sind bestimmte Hirngebiete stärker miteinander verbunden. Das betrifft besonders die visuellen Areale und die Gebiete, die im Gehirn Tastinformationen verarbeiten. Bei diesen besteht eine starke Verbindung und Hyperaktivität.
"Nicht alle Menschen, die glauben, dass sie eine Synästhesie haben, sind Synästheten. Also ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass jeder Zehnte, der im Glauben, eine Synästhesie zu haben, zu uns kommt, auch wirklich ein Synästhet ist."
Neueren Forschungen zufolge ist ein Gebiet besonders wichtig, wenn es um die Ausprägung dieser Form von Synästhesie geht: das Spiegel-Neuronen-System. Dies ist immer dann aktiv, wenn wir zum Beispiel andere Personen beobachten.
Forscher gehen davon aus, dass Mirror-Touch-Betroffene über eine Vielzahl solcher Spiegelneuronen verfügen. Hinzu kommt, dass Hirnregionen, die uns zwischen uns und unseren Mitmenschen unterscheiden lassen, weniger aktiv sind.
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