Nur eine App für alle Verkehrsmittel. Wäre das nicht toll? In Berlin startet mit "Jelbi" gerade so ein Angebot. Das ist zwar ein guter Ansatz, aber nicht ausreichend, um unsere Mobilitätsprobleme zu lösen und die Klimaziele zu erreichen, fürchtet Mobilitätsforscher Ingo Kollosche. Wir brauchen mehr und integrierte Lösungen. Und die Politik muss auch mehr mit ran.
Wer von A nach B möchte, hat in der Stadt eine Menge Optionen. Erst mal die App der Öffentlichen Verkehrsbetriebe checken. Dauert zu lang? Ok. Mal in der Leihfahrrad-App nachsehen. Kein Bike in der Nähe. Ok, dann beim anderen Anbieter schauen. Puh, auch keins da. Was sagt die E-Roller-App? Fehlanzeige. App Nummer 5: Carsharing. Bingo!
Alle verfügbaren Verkehrsmittel integriert in einer einzigen App
Wem dieses App-Chaos zu nervig ist, der sollte nach Berlin ziehen. Dort ist nach einer Testphase gerade die App Jelbi in den regulären Betrieb gegangen. Die soll öffentliche Nahverkehrsmittel, Taxen, Carsharing und Fahrradausleihen verbinden. Unsere Reporterin Katharina Kühn hat die App getestet. Zwar findet sie die Idee gut und ist streckenweise auch zufrieden, trotzdem scheint da noch deutlich Luft nach oben zu sein. Fairerweise muss man dazu sagen: Jelbi steckt noch in der Startphase.
Auch Ingo Kollosche vom Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung findet solche integrativen Mobility-Apps im Ansatz gut. In Städten wie Aachen, Hannover oder Hamburg gibt es bereits ähnliche Projekte, berichtet der Mobilitäts- und Zukunftsforscher. Alle genannten hätten auch eine wichtige Eigenschaft gemeinsam: Sie werden von den Öffentlichen Verkehrsmitteln gesteuert und kontrolliert.
"Wenn dieses Potential – den motorisierten Individualverkehr zu reduzieren – gelingen soll, dann geht das nur, wenn der öffentliche Personennahverkehr gestärkt ist und das Kernstück solcher integrierten Mobilitätsdienstleistungen ausmacht.“
Wenn der ÖPNV im Boot ist, ermögliche eine solche App nämlich erst richtig, unsere Verkehrsmittelnutzung zu steuern. Über die Tarifgestaltung etwa, erklärt Ingo Kollosche. Zum Beispiel könne man ein Belohnungssystem einbauen: So könnte etwa der Leihpreis für einen E-Scooter billiger sein, wenn man damit zur Haltestelle fährt und dann auf die Bahn umsteigt, anstatt damit einmal quer durch die ganze Stadt zu cruisen.
Insellösungen reichen für den Klimaschutz nicht aus
Solche "Mobility-as-a-service-Lösungen", wie Ingo Kollosche sie nennt, haben demnach durchaus das Potential, Autos von den Straßen zu bekommen und damit zum Klimaschutz beizutragen. Allerdings handele es sich bei allen Angeboten derzeit noch um Insellösungen. Wenn die nicht Teil eines großen Gesamtkonzeptes werden und mit anderen Angeboten und Anwendungen ineinandergreifen, dürfte der Effekt überschaubar bleiben. "Es bedarf deshalb einer politischen Steuerung", meint der Mobilitätsforscher.
"Egal, wo wir hinschauen: Pendler sind die größte Herausforderung, die von der Verkehrsmobilitätsplanung zu lösen ist.“
Solche Apps sind also im Grunde eine gute Idee. Allerdings braucht es die weniger für große Innenstädte, sagt Ingo Kollosche, als viel dringender für die Gebiete, wo die Infrastruktur eben nicht so gut ist. Die Randgebiete der Städte etwa, die schlecht an den Öffentlichen Personennahverkehr angebunden sind und wo die meisten Pendler herkommen. Oder auf dem Land, wo vielerorts ohne Auto gar nichts geht. Dafür brauche es aber mehr Investitionen und Entwicklung. Und auch mehr verkehrspolitisches Engagement.
"Es bedarf auch generell noch anderer verkehrspolitischer Steuerungsmaßnahmen."
Ais Beispiel nennt der Mobilitätsforscher die City-Maut, autofreie Zonen oder mobilitätsorientierte Stadtentwicklung generell. Lösungen wie Jelbi könnten eben nur einen Teilbeitrag zur Reduktion von Emissionen und zur Erreichung der Klimaziele leisten.
Im Interview spricht Ingo Kollosche außerdem über privat initiierte Mobilitäts-Angebote auf dem Land, über erste Untersuchungsergebnisse zum Effekt solcher integrierten Mobilitäts-Angebote und über Erfahrungen mit solchen Apps im Ausland. Unter anderem. Das ganze Gespräch hört ihr, wenn ihr am Artikel-Anfang auf Play klickt.